Review

Einer der größten italienischen Regisseure aller Zeiten, Federico Fellini, bezaubert in diesem Spätwerk mit Witz und kunstvoller Inszenierung. Die Geschichte um Ginger (Giulietta Masina) und Fred (Marcello Mastroianni), die sich 30 Jahre nach Ende ihrer gemeinsamen Karriere als Tänzer und Nachahmer von Ginger Rogers und Fred Astaire anlässlich einer Fernsehshow wieder treffen, sprüht vor Wärme und Nostalgie. Anfänglich besteht eine gewisse Distanz zwischen den beiden, die sie mit Konzentration auf ihr Programm und derben Witzen aufrecht erhalten. Doch im Laufe des Films nähern sie sich immer mehr, versinken in ihren Erinnerungen an glanzvolle Zeiten und erkennen, wie sehr sie sich vermisst haben und wie viel sie einander immer noch bedeuten. Diese Erkenntnis, in deren Verlauf sich der egomanische, vulgäre Fred am Ende gar als noch unsicherer und verletzlicher entpuppt als Ginger, schweißt sie wieder zusammen und lässt sie den Irrsinn der Produktionsbedingungen ihrer Show überstehen.

Womit wir beim eigentlichen Kern des Films gelandet wären: Fellini wäre nicht Fellini, würde er die herzerwärmende Story um die Wiedervereinigung Gingers und Freds nicht für eine beißende Satire auf das moderne Fernsehen nutzen. Die ganze Zeit über läuft irgendwo stets ein Fernseher, in dem vollbusige Frauen lasziv für das neue Olivenöl werben oder eine Gameshow Frauen dazu auffordert, eine bestimmte Sorte Tomatensauce herauszuschmecken. Diese wiederholten, kurz eingestreuten Schnipsel aus der Fernsehlandschaft zeigen beinahe noch deutlicher als die verrückten Figuren der Weihnachtsshow, in der Ginger und Fred auftreten sollen, wie geschmacklos und inhaltsleer das Fernsehen geworden ist - spätestens, wenn am Anfang des Films der Beginn von Dante Alighieris "Göttlicher Komödie" zitiert wird, um Werbung für einen Kompass zu treiben, weiß der Zuschauer, wie der Hase läuft.

Dennoch: Der Höhepunkt - wie in beinahe jedem Fellini-Film - ist das Personal: Eine illustre Ansammlung skurriler bis bizarrer Figuren, von hysterischen Kleinwüchsigen, einer Schar Doppelgänger, einem Admiral, der nach seinem Joghurt verlangt, blasierten Diven, Transvestiten, Geisterjägern, Schriftstellern und Terroristen bis hin zu einer Kuh mit zwanzig Eutern. Diese schier unüberblickbare Figurenkomposition treibt in einer (angesichts der Masse an Menschen) erstaunlich ruhigen Bildfolge ihr Unwesen. Überhaupt ist die optische Kraft des Films keineswegs mit der surrealen Energie von zum Beispiel "Julia und die Geister" oder "Fellinis Satyricon" zu vergleichen - einzig die nächtliche Szene, in der Ginger vor dem Hotel spazieren geht und die Disko betrachtet, in die sich einige andere Teilnehmer begeben, hat einen surrealen Touch. Doch was dem Film an Bildkraft mangelt, macht er mit beißenden, brillant inszenierten und sich oft überlagernden Dialogen wieder wett. Und überhaupt ist es relativ, bei einem Fellini-Film von schwacher Bildkraft zu sprechen: Kameraführung und Detailgenauigkeit der Bilder schweben noch weit über dem Durchschnitt.

Und es muss ja auch nicht schlecht sein, wenn Fellini hier auf die surreal-bizarre Schrille anderer Filme verzichtet - ein wenig fühlt man sich dabei erinnert an seine Frühphase im italienischen Neorealismus, in der er Meisterwerke wie "La Strada" inszenierte. So oder so ist er sich mit "Ginger und Fred" in seinem Sinn für hochanspruchsvolle Satire treu geblieben und bietet einem jeden Cineasten ein wahres Freudenfest.

Details
Ähnliche Filme