Es gibt Filme, die würden nie, niemals im DVD-Player landen, wenn sie nicht auf der verbotenen Liste stehen, aber da mich auch heute noch beschlagnahmte Filme anziehen , wie im Dunkeln Licht die Motten, traute ich mir mal einen ganz schweren Brocken zu. Nicht nur vom Baujahr her gesehen, sondern der Film hatte neben der türkischen Sprache lediglich englische Untetitel zu bieten.
Vorneweg, es war sau schwer eine DVD von dem Film zu ergattern, aber ein deutsprachiger Onlineshop im Ausland (und das hat wohl auch seine Gründe, warum der Sitz im Ausland ist, wie ich nach dem Auspacken der DVD feststellen konnte) hat diesen Film vertrieben.
In "Cellat" geht es um den Architekten Orhan (Serdar Gökhan), der ein zufriedenes Leben mit seiner Frau führt, bis eines Tages drei Taugenichtse in sein Haus einbrechen und Orhan´s Frau und seine Schwester vergewaltigen, während er in seinem Architekten-Büro sitzt. Seine Frau stirbt dabei, während die Schwester ins Koma fällt und der Polizei nichts über die Verbrecher sagen kann.
Aus dem Mann mit Krawatte wird ein erzürnter Rächer, der ganz Istanbul von gewalttätigen Räubern säubert. Das einzige Indiz, das er hat, ist, dass das geklaute Medaillon seiner Frau auftaucht und er im Finale die wahren Täter stellen kann.
Der Alternativ-Titel "Turkish Death Wish" ist gar nicht mal so weit hergeholt, da die Geschichte von Charles Bronson beinahe 1:1 kopiert wurde. So wie die Amerikaner heute ihre Remakes drehen, machten es die Türken 1975 ein Jahr später nach "Death Wish" mit "Cellat" nach.
Am Anfang ist noch eitel Sonnenschein, die glückliche Familie wird gezeigt, bis die drei Gauner ihren Auftritt bekommen. Da wird der Film teilweise unfreiwillig komisch, wenn dieses Trio einer alten Frau den Kohl aus der Einkaufstüte klaut oder dem Obsthändler Äpfel stehlen. Bis dahin traut man den drei Deppen gar nicht zu, was richtig schlimmes anzustellen.
Die anschließende Vergewaltigung wird nicht sehr explizit gezeigt, wirkt aber trotzdem irgendwie grausam bei diesem alten, dreckigen Look, der scheinbar vom VHS-Master kopiert wurde. Und damals tickten die Uhren ja noch anders, was man zeigen kann und was eben ein Tabu im Film ist.
Nach der Vergewaltigung und der Tatsache, dass die Polizei ratlos ist und in diesem Fall nicht weiter ermitteln kann, folgt danach immer das gleiche Schema: Orhan zieht durch die nächtlichen Straßen, bekommt mit, wie Gauner sich an unbescholtenen Bürgern vergreifen und knallt sie über den Haufen. Dies wird in einer Endlosschleife zelebriert, die ab und zu von den Reaktionen der Bevölkerung (die den Rächer ohne Gesicht natürlich abfeiert) und den Reaktionen der Polizei (irgendwie haben sie dafür Verständnis und trotzdem ist es ihre Pflicht, den Rächer wegen den Morden dingfest zu machen) unterbrochen wird.
Ansonsten gibt es bis zum Finale, bis das Amulett auftaucht, nicht viel großartiges zu erzählen.
Bis dato sind mir lediglich zwei Sachen aufgefallen: 1. Dass dieser Film mal überhaupt nicht brutal ist, bis auf blutige Einschusslöcher (die aber nach heutigen Maßstäben auch locker die 16er-Freigabe schaffen) und 2. dass dieser Film einen überraschend genialen Ohrwurm-Soundtrack mit sich bringt, bei dem ich mitschunkeln konnte. Somit fiel natürlich das Gesamtergebnis um einiges besser aus.
Im Finale geht es den drei Vergewaltigern an den Kragen. Auch wenn diese auf brutalere Art und Weise getötet werden (wobei der Stromstoß mit dem Special Effekt "Wunderkerzen" wirklich niedlich aussieht), bleibt zumindest mir die Beschlagnahme ein Rätsel. Grafisch nicht sonderlich brutal - okay, die Thematik Rape and Revenge ist natürlich zweifelhaft und wird dafür wohl ausschlaggebend gewesen sein.
Insgesamt war es eine schöne Reise zurück in die Zeit, die ich mir schlimmer vorgestellt hatte. Dank des Ohrwurm-Liedes und dass hier nicht so viel geredet sondern "gehandelt" wird, machte mir das Ansehen dieses Filmes relativ erträglich. Bleibt eben nur die Frage übrig, warum der Film überhaupt "Cellat" heißt und der Hauptcharakter Orhan. Immerhin ist ja Orhan der Henker.
Naja, eine einmalige Sichtung war nicht schlimm, und da ich mit Bootlegs kein Geld verdienen will, wird sich nächste Woche mein türkischer Arbeitskollege drüber freuen, wenn ich ihm diese DVD schenke. Hoffentlich kann er mehr damit anfangen, wie ich.
5/10