Review

Terrorisiert unser Unterbewusstsein

Fassbinders "Die Dritte Generation" handelt von einer bunten Gruppe an deutschen Terroristen, die das Land ohne wirkliche politische Motivation bedrohen - gesteuert und geplant allerdings durch einen teuflischen Computerkonzern mit weitreichenderen, fast zynischen Hintergedanken...

IBM - Ich bin Mensch...?

Ehrlich gesagt übergehe ich Fassbinder zu oft, wenn es um die besten deutschen Regisseure der Nachkriegszeit geht. Denn sein Name kommt mir definitiv nicht so oft in den Sinn wie Herzog, Wenders oder von Donnersmarck. Dabei ist Fassbinder eventuell sogar der radikalste und "deutscheste" all dieser Ausnahmekönner. Allein mit "Welt am Draht", "Angst essen Seele auf" und der epischen Miniserie "Berlin Alexanderplatz" hat er sich und seine Themen nachhaltig in Stein gemeißelt. Woran liegt als sein "Unterschätzsein"? Vielleicht wirklich an den eher deutschen Themen, vielleicht an seiner Radikalität und Kälte, vielleicht an seiner klinischen Schmutzigkeit. Er war doch sehr ein Produkt seiner Zeit - was es jedoch null langweiliger macht in seinen Kosmos des geteilten (vielleicht indirekt sogar noch besetzten) Deutschland abzutauchen...

Fenster zur Zukunft

Und "Die Dritte Generation" ist da durchaus ein guter, weiterer Anker- und Einstiegspunkt. Selbst wen er (zurecht?) eher selten zu den wichtigeren Fassbinder-Werken gezählt wird. Doch er verkörpert die Themen, Vibes und Atmosphäre Fassbinders sehr, sehr gut, finde ich. Erzählerisch ist er etwas holprig und sprunghaft, die Motivationen und Logik sollte man nicht allzu hartnäckig hinterfragen. Zwischen Langeweile, Frust und Terrorismus, zwischen Großkonzernen und dem Teufel, der im Hintergrund die Strippen zieht. Das kann man kritisieren oder zumindest fragwürdig finden. Doch seine emotionale Wirkung verfehlt das nicht. Erst recht, wenn man wie wir aus diesem Land kommt. Und nicht will, dass es kaputt geht, egal ob von innen oder außen. Das ist immer imminent und dreckig, das ist deutsch und vor allem die unterschwellige Tonspur (voller Nachrichten, Popkultur, Dissonanzen, der alten Nationalhymne usw.) ist brutal, fies, unangenehm. Zwischen WGs und Fremdsteuerung. Zwischen Besatzung und Entmachtung. Zwischen Mord und Microsoft. Schwarzhumorig, bitter, böse.

Ein Land, immer im inneren Tumult

Fazit: interessant wie Erde unter den Fingernägeln, bei der man nicht mehr genau weiß, wie diese dorthin gekommen ist... In Sachen Geschichte und Figuren hätte Fassbinder hier sicher noch wesentlich genauer und packender arbeiten können. Doch andererseits ist gerade diese lose, unpersönliche, unmotivierte, unklare und fragmentarische, eher thematisch konzentrierte Erzählweise effektiv. Ein sehr bissiges Zeitdokument. Eine Momentaufnahme Deutschlands, die nicht kleinzureden war. Leider. Kommunen, Killer, kuriose Kapitalismuskritik. Und Aschermittwoch ist das alles sicher nicht vorbei. Leider.

P.S.: Vor allem die immer wieder über das Bild fließenden Zwischentitel könnten zum Teil aktuelle Kommentare und Antworten und Diskussionen von Menschen aus den sozialen Medien sein... erschreckend. Fast prophetisch.

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