Philip Seymour Hoffman spielt einen reichen Unternehmensberater, der für seinen Drogenkonsum Firmengelder veruntreut. Als die Finanzbehörde schließlich auf sein Vergehen aufmerksam wird, überredet er seinen Bruder, gespielt von Ethan Hawke, der ebenfalls Geld benötigt, den Laden der Eltern zu überfallen. Als der Überfall fehlschlägt und die Mutter der beiden erschossen wird, beginnt eine Reihe tödlicher Auswirkungen.
1939 war er erstmals als Darsteller im TV zu sehen, 1957 gelang ihm der Durchbruch als Regisseur mit seinem Spielfilm-Debüt "Die zwölf Geschworenen", mit "Serpico", "Hundstage" und "Network" gelangen ihm weitere Meisterwerke, alles in allem sammelte er dabei fünf Oscar-Nominierungen, 1999 erschien seine vorerst letzte Regiearbeit, 2005 erhielt er schließlich den Ehren-Oscar für sein Lebenswerk und 2007 meldete sich Sidney Lumet mit "Tödliche Entscheidung" schließlich zurück. Wie es beispielsweise bei Francis Ford Coppolas "Jugend ohne Jugend" der Fall war, ist auch dieses Alterswerk des 84jährigen Lumet sehr sperrig geworden, schlecht ist es dennoch nicht.
Die Vorlage, die Lumet hatte, war schon mal rundum gelungen. Die Charakterkonstruktion ist vielschichtig gelungen und lässt keine Fragen offen. Die Verkettung der Umstände, die die düster, tragisch konstruierten Figuren schließlich in einen Sog aus gegenseitigem Misstrauen führen, die es immer wieder mit neuen Problemen zu tun bekommen und keinen Ausweg mehr aus der Katastrophe finden, ist dabei hervorragend dargestellt und überzeugt gleichermaßen als vielschichtige Charakterstudie, als auch als unvorhersehbarer Thriller. Die Handlung schlägt mehrere Harken, die Erzählstruktur ist hervorragend gelungen, so arbeitet der Film von Anfang an auf sein dramatisches Finale zu, das rundum überzeugen kann. Teilweise sind die Verstrickungen, in die die beiden Brüder nach dem Überfall geraten vielleicht ein bisschen zu unglaubwürdig, wirken teilweise etwas überkonstruiert, aber bei dieser überdurchschnittlichen Handlung, die sich deutlich vom Mainstreamkino abhebt, lässt sich dies durchaus verzeihen.
Auch darstellerisch ist "Tödliche Entscheidung" auf oberstem Niveau. Philip Seymour Hoffman spielt den wesentlich aggressiveren Bruder, der den Film klar dominiert und nutzt die tiefe Charakterkonstruktion und den Raum, den Lumet ihm bei seiner Inszenierung eingesteht, um eine weitere Gala-Vorstellung abzuliefern. Nach seiner Rolle des skurrilen Autoren in "Capote" und der des zynischen CIA-Agenten in "Der Krieg des Charlie Wilson" stellt er zudem einmal mehr seine Vielseitigkeit unter Beweis. Teilweise spielt er dabei zurückhaltend, sichert sich temporär die Sympathie des Zuschauers und zeigt in den wohl dosierten Wutausbrüchen seiner Figur eine Leinwandpräsenz und ein eindringliches Spiel, wie man es von Jack Nicholson in seinen besten Zeiten zu sehen bekommen hat. Hoffman nicht erneut für den Oscar zu nominieren wäre eigentlich nicht vertretbar. Ethan Hawke macht sich als etwas sympathischerer, zurückhaltender Bruder ebenfalls gut, liefert eine tadellose Arbeit ab, hat bei der hohen Präsenz Hoffmanns jedoch das Nachsehen. Marisa Tomei spielt gewohnt gut und zeigt sich auch im fortgeschrittenen von 44 Jahren noch sehr sexy und auch die nach außen hin ruhige, aber nach innen brodelnde Darstellung von Albert Finney ist hervorragend, genauso, wie der übrige Cast, an dem es nichts zu bemängeln gibt.
Bei diesem hervorragenden Cast und dem brillianten Skript wäre ja durchaus ein Meisterwerk dring gewesen, aber das wird "Tödliche Entscheidung" leider nicht, weil Sidney Lumet nicht ganz an seine alten Glanzzeiten anknüpfen kann. Er lässt sich durchaus Zeit, um die tiefen Charaktere zu konstruieren, liefert ein ruhiges, langsames Erzähltempo, bei dem den brillianten Darstellern viel Raum im Film eingestanden wird und auch an der musikalischen Unterlegung des Films gibt es wenig zu bemängeln, Spannung will leider dennoch keine aufkommen.
Dass ein Thriller-Drama dieser Art eine relativ lange Zeit braucht, bis er einmal angelaufen ist, ist ja Standart, aber auch im Mittelteil gewinnt "Tödliche Entscheidung" nicht so recht an Fahrt. Zunächst einmal erweist sich der Erzählstil, der ähnlich wie bei "11:14" und "8 Blickwinkel" geworden ist, als Fehler. Dieselben Zusammenhänge und Handlungsstationen werden aus verschiedenen Perspektiven gezeigt, so setzt der Film leider immer wieder neu an und ist so dramaturgisch relativ ungeschickt konzipiert. Immer, wenn der Film dabei an Fahrt gewinnt und Spannung aufbauen könnte, geht der Spannungsbogen deshalb leider wieder auf null. Sidney Lumet gelingt es nicht mehr dieses sperrige, überaus depressive Thriller-Drama zu beschleunigen, versinkt bei der Inszenierung selbst in einer gewissen Melancholie, aber auch dramaturgisch findet man als Zuschauer keinen richtigen Zugang, da der Film einfach zu pessimistisch geworden ist und zu keinem Zeitpunkt ein Hoffnungsschimmer für die Charaktere besteht. So reißt der Film einen als Zuschauer nicht wirklich mit, bleibt nur auf einem halbwegs soliden Unterhaltungsniveau und die Enttäuschung darüber, dass Lumet das Potential des Films nicht ausschöpfen kann, kompensiert auch das dramatische Ende nicht, das noch relativ lang in Erinnerung bleibt.
Fazit:
Trotz des nahezu perfekten Casts, in dem vor allem der Oscar-verdächtig gute Hoffman brilliert, der unvorhersehbaren Story und der vielschichtigen Charakterkonstruktion fesselt "Tödliche Entscheidung" leider kaum, da Altmeister Sidney Lumet hier, bei seinem Alterswerk eine relativ sperrige, langatmige und depressive Inszenierung abliefert, deren Erzählstil die gesamte Dramaturgie der Vorlage zunichte macht. Unterhaltsam, mehr aber auch nicht, schade eigentlich!
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