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Worüber reden Männer in der Kneipe beim Bier? Natürlich nur über Fußball und Sex. Das glauben jedenfalls nicht wenige Frauen. Worüber reden Frauen im Café? Ja - natürlich ausschließlich über Klamotten und Schuhe, Klatsch und Tratsch. Glauben jedenfalls nicht wenige Männer. Die können sich angeblich überhaupt nicht vorstellen, dass auch Frauen selbstbewusst Sex suchen und danach miteinander darüber und ihren Spaß daran reden. Also dachte sich Darren Star eine Serie aus, die allen Männern klarmachen sollte: Doch, auch Frauen können so sein! Und die Serie zeigte zugleich allen Single-Frauen, dass nicht nur sie allein so viele dämliche oder sonstwie unzulängliche Typen kennenlernen.

„Sex and the City“ handelt von vier dick befreundeten Mitt- bzw. Enddreißiger-Frauen, alle erfolgreich in wohldotierten Jobs, alle interessiert an Mode und Partys. Alle sind sie (die meiste Zeit) Singles, stets aufgeschlossen, Männer kennenzulernen. Das bietet der Serie von Folge zu Folge die Gelegenheit, merkwürdige und außergewöhnliche (oder doch gewöhnliche?) Typen von Männern zu präsentieren, über die bei dem einen Pflicht-Brunch pro Folge im Café dann ausgiebig debattiert wird. Und das in einer Offenheit, die es bisher im Fernsehen noch nicht gegeben hat. Eingehend werden allerlei Sexualpraktiken und -vorlieben, herausragende und enttäuschende körperliche Merkmale diskutiert, dass einem die Schamesröte ins Gesicht steigen kann. Und die Buchvorlage zur Serie (von Candace Bushnell) soll fürs Fernsehen noch entschärft worden sein. Klar, dass das kein Free-TV-Projekt in den USA war, sondern eine Produktion vom Pay-TV-Kanal HBO. Die Dialoge sind zwar häufig -wie die Erlebnisse- übertrieben, aber fast immer gewitzt, spritzig, scharf und pointiert.

Weil die Serie mit dieser Art eine noch nie da gewesene Radikalität aufwies, wurde ihr schnell das Label „Kultserie“ aufgedrückt. Wichtiger für die Produzenten, Autoren und Schauspieler dürften aber die vielen Auszeichnungen sein, die die Serie einheimste. Nicht zu Unrecht.

Das A und O jeder Serie ist natürlich der richtige Charaktere-Mix zwecks Selbstidentifikation und Wiedererkennung anderer. Dieser Mix ist hier äußerst gelungen, weil er mit nur vier Charakteren die Frauenwelt recht breit abdeckt:
Da wäre als erstes Carrie, die Erzählerin und Hauptfigur (sowie Bushnells Alter Ego): Sie schreibt die Zeitungskolumne „Sex and the City“, in der sie kreativ ihre Erlebnisse und die ihrer Freunde aufbereitet, angereichert mit alltagsphilosophischen Fragen zu Leben und Liebe. Sie hat einen Schuh- und Modetick (offenbar doch nicht nur ein männliches Vorurteil…), analysiert den Alltag zwar exakt, macht aber trotzdem blöde Fehler. Sarah Jessica Parker in der Rolle passt wie dafür gebacken. Eine besser ausgefüllte Rolle hat sie wohl noch nie in einem ihrer Filme zuvor gehabt.
Miranda ist die pragmatische Anwältin, die gern über ihr Leben frei bestimmen will, was ihr in der Serie durch ihren Immer-mal-wieder-Freund zunehmend schwer gemacht wird. Die Darstellerin Cynthia Nixon kannte man vorher gar nicht, jetzt wird man sie in jedem ihrer Filmauftritte unweigerlich als Miranda sehen.
Charlotte ist die romantische Süßbacke der Serie. Unverbesserlich träumt sie in jeder Folge von einem biederen Familienglück mit Mr. Right und netten Kindern. Klar, dass sie bis zuletzt weder Mr. Right finden darf noch der Kinderwunsch in Erfüllung gehen kann, damit sie in jeder Folge weiter suchen muss. Kristin Davis spielt Charlotte so überzeugend, dass man gar nicht glauben mag, dass sie mal eine Season-Rolle als bösartige Zicke in der Edel-Trash-Soap „Melrose Place“ hatte.
Und da ist -last but not least- Samantha, der genaue Gegenpol zu Charlotte. Sexbesessen, offenherzig bis zur Vulgarität, Chefin in Job und Bett. Heiraten? Niemals! Kinder? Pah! Der uneingeschränkte Spaß soll herrschen! Wäre Sam ein Mann, würde man ihn wahlweise als Macho oder als Frauenheld bezeichnen. Ausgerechnet Kim Cattrall stellt Sam dar, die in so vielen Filmen das weibliche Anhängsel des männlichen Helden spielen musste. Und wie sie sie darstellt! Mit einer Verve, die ihr wahrscheinlich noch mehr Spaß bereitet hat als dem Zuschauer.
Klar, dass gerade Charlotte und Samantha extreme Charaktere sind, aber sie (vor allem freilich Sam) sorgen damit für spaßige Situationen und witzige Sprüche.

Passend auch „the City“ neben dem Sex: New York und speziell Manhattan als aufregende Stadtkulisse - mit seiner Größe, seiner Vielfalt, seiner Anziehungskraft vor allem auf junge, wohlhabende Leute. Und seinen unüberschaubar vielen Szenelokalitäten, in denen sich schön viele Singles herumtreiben, die von unseren vier Frauen abgecheckt werden können. Welche Stadt könnte also besser als Modell für eine Single-Serie dienen, die die gelebte Oberflächlichkeit von unter 40-Jährigen beschreibt?

Darren Star, der schon mit der Kreierung zwei der erfolgreichsten Teen- und Twen-Seifenopern der 90er Jahre von sich reden machte („Beverly Hills 90210“ und „Melrose Place“), landete mit „Sex and the City“ einen Knüller, von dem man behaupten kann, auf seine Weise Fernsehgeschichte geschrieben zu haben. Dennoch zeigt die Serie innerhalb der sechs Staffeln Schwächen durch ihre Inkonsistenz: In den ersten Seasons werden jeweils erwähnenswerte Typen von Männern vorgestellt, mit denen sich die Frauen in New York herumschlagen müssen (in den allerersten Episoden sogar auf halbdokumentarische Art). Diese Typen sorgen für Lacher und besitzen durchaus einen gewissen Wiedererkennungswert. Dafür gibt’s aber kaum Story und Charakterentwicklung der vier Frauen. Zu den mittleren Staffeln hin werden mehr und mehr die Stories der Frauen erzählt, was zunächst eine perfekte Symbiose ergibt: Man und frau hat die Charaktere kennengelernt, und es macht jetzt außerordentlich viel Spaß, ihnen zuzuschauen, wie sie jeweils auf ihre Weise mit den Widrigkeiten des Single- und Zeitweise-Beziehungslebens sowie den seltsamen Typen fertig werden müssen. In diesen Folgen ist „Sex and the City“ absolut on the top. In den zwei letzten Staffeln kippt das jedoch immer weiter, mehr und mehr überwiegt die Weiterentwicklung der Charaktere, die Typen-Parade verliert sich schließlich völlig hinter reiner Soap. Tröstlich aber für Männer (oder etwa nicht?): Schlussendlich zählt dann doch nicht purer Single-Sex zu einem erfüllten Frauenleben, sondern eine feste Beziehung in Liebe.

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