Seltsamerweise haben manche Filme, die kein „H.P. Lovecraft“ im Titel haben, mehr mit dessen Vorlagen gemeinsam, als welche die sich mit ihm schmücken wollen. So zum Beispiel die großartigen Genrebeiträge Mächte des Wahnsinns (John Carpenter) oder Dagon (Stuart Gordon); der eine mehr den in den Geschichten vorherrschenden Wahnsinn der Protagonisten, der andere mehr die phantastische Welt um den Cthulhu-Mythos hervorhebend. Dunkle Gewässer hat zwar keinen direkten Bezug zu einer Geschichte von H.P., doch Story und Inszenierung scheinen manchen Querverweis zu dessen Werken aufzeigen zu wollen.
Allein die Geschichte könnte aus der Feder dieses großartigen Autors kommen, handelt sie doch von einem Orden unheiliger Nonnen, die auf einem abgelegenen Eiland einem vorzeitlichen Meeresgott huldigen. Assoziationen zu Dagon kommen auf. Doch wo dieser auf der Kurzgeschichte „Schatten über Innsmouth“ basierende Film auf einer strukturierten und nachvollziehbaren Handlung aufbaut, so ist Dunkle Gewässer ein bisweilen sehr unzugänglicher Horrorfilm. Zwar wird das dunkle Geheimnis der aufs Eiland gekommenen - weil einem postalischen Hilferuf ihrer Schwester gefolgten - Elizabeth am Ende mehr oder weniger aufgedeckt, doch der Film wirft mehr Fragen auf, als sie zu beantworten. Zu viele Logiklöcher trüben den Schauwert, verwirren den Zuschauer, der sich stark anstrengen muss um der Handlung einigermaßen folgen zu können.
Dabei ist diese relativ simpel gehalten; Elizabeth kommt nach einer Bus- und Schiffsreise - in der schon die ersten der die den Film bevölkerten verschrobenen Charaktere auftauchen - auf der Insel an, findet ihre Schwester nicht auf und deckt nach und nach das Geheimnis des Ordens, bzw. ihrer eigenen Vergangenheit auf. Doch das verwobene Geflecht aus Kindheitserinnerungen, aktuellen Geschehnissen und Traumsequenzen ist leider so unstrukturiert, das ob der tollen Bildersprache der Funken nicht so wirklich überspringen mag. Bisweilen ist man gar geneigt im Internet nach einer ausführlichen Inhaltsangabe zu suchen, die einem zwar nicht das Denken abnimmt, jedoch aber dem gemarterten Gehirn etwas Entspannungsraum gönnt.
Die agierenden Personen machen ihre Sache dabei recht gut. Allen voran Louise Salter (Elizabeth) als „Suchende“ gefällt. Eine wirklich tiefer gehende Charakterisierung wird ihr zwar nicht zugedacht, aber ihre Mimik und Gestik - vor allen bei den fiesen Schocksequenzen - lässt einem mitfiebern. Der Rest rekrutiert sich aus diabolisch blickenden Nonnen, einer blinden - und wirklich beängstigenden - Obernonne und ein paar, ich sagte es bereits schon, verschrobenen Charakteren wie einem geistig minderbemitteltem Fischer. Trotz der vielen Personen ist die Mordrate gering ausgefallen, die wenigen Metzelszenen dafür aber umso härter. Zum Beispiel wird eine alte Frau von den Nonnen angezündet und taucht - nachdem sie sich im Wasser gelöscht hat - mit einem ziemlich gelungenem Brandwunden-MakeUp wieder auf.
Ganz klar ein Thriller der überwiegend von seiner düsteren, ja bisweilen phantasmagorischen Atmosphäre getragen wird, die sich von Anfang bis Ende durchzieht. Schon die ersten Bilder des Eilandes vermitteln einem das Gefühl sich an einem wahrlich unheilschwangeren Ort zu befinden: Regen peitscht, Fackeln tragende Nonnen durchziehen die Nacht und ominöse Gesänge aus dem Finstren klingen empor. Im Verlauf des Films folgen wir Elizabeth bei ihrer Entdeckung der Katakomben - visuell großartig gefilmt mit 1000enden von Kerzen und grotesken Wandmalereien, werden Zeuge von blutigen Mordversuchen wahnsinniger Nonnen oder bekommen gegen Ende gar die Meeresgottheit zu sehen. Manko: Das Vieh wird einmal ganz gezeigt, auf Grund des schmalen Budgets ist es natürlich nicht so ansehbar - da hätte man es bei den gruseligen Halbschattenaufnahmen belassen sollen.
Schlecht war er Gottlob nicht. Aber zum Teufel noch mal - etwas mehr Struktur hätte ihm nicht geschadet. So bleibt er „nur“ ein überdurchschnittlicher Okkulthorror, der sich leider nicht mit solch großartigen Nonnenhorrorfilmen wie Desecration messen kann, visuell aber mindestens fast genauso aufregend ist. Italohorrorfreunde, besonders Fans von den surrealeren Filmen von Dario Argento, sollten mal reinschauen!