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Familie König lebt irgendwo im suburbanen Paradies. Man erfreut sich an den klassischen Gartenzäunen, trifft sich mit Freunden auf dem Wochenendegrundstück zum Grillen, hat das einzige Töchterlein gerade erfolgreich durchs Abitur gebracht und schickt selbige in den Turnverein.
Papa ist Polizist und Mama ist Krankenschwester – theoretisch könnte sie zwar auch Ärztin sein, aber das würde ja irgendwie so gar nicht in die Idylle passen, wenn das Weibchen am Ende einen besseren Job hätte als der tapfere Ernährer und Beschützer der Kleinfamilie.
Eines nicht ganz so schönen Tages, jedoch, wird Töchterchen verhaftet, weil sie im dringenden Verdacht steht, einen Polizisten getötet und einen zweiten lebensgefährlich verletzt zu haben, beide natürlich herzensgute Kollegen und enge Freunde von Vati.

Bei einem Film dieser Kategorie, sprich ein Debüt, einem jungen Fernsehfilm und co produziert von der dffb, sollte man gnädigerweise über die Probleme hinwegsehen, die ein kleines Budget zwangsläufig mit sich bringt. Und gerade der Kameraarbeit kann man auch keinen Vorwurf machen. Dass der Film nicht gerade aussieht, als wäre er auf 35 oder gar mehr mm gedreht worden, ist selbstverständlich, aber die Arbeit mit Unschärfen beziehungsweise Schärfeebenen ist durchaus beachtlich.

Die Schauspieler, die mit Namen wie Nina Petri oder Jan Gregor Kremp ja zum Teil durchaus keine unbekannten sind, machen ihre Sache im Großen und Ganzen eigentlich auch recht ordentlich. Man hat zwar das Gefühl, sie schwanken hauptsächlich zwischen absolut nichtsagendem Spiel und kolossalem Overacting hin und her, aber das gleicht sich in der Quersumme ja auch wieder irgendwie aus.

Nein, das Hauptproblem, das dieser Film hat, ist ohne jede Frage das Drehbuch. Erst passiert eine gefühlte Ewigkeit gar nichts, außer dass dem Zuschauer diese nach Bohnerwachs und Spießigkeit stinkende Vorstadt-Idylle unter die Nase gerieben wird.
Als Töchterchen dann endlich mal verhaftet wird, kommt ein wenig Schwung in die vorher eigentlich kaum vorhandene Dramaturgie. Dieses Ereignis kommt dann im Grunde so abrupt wie überraschend, was aber einzig und allein einem Kniff des Autors zu verdanken ist:
Denn dieser im ersten Moment so große Schritt entpuppt sich mit zunehmender Zeit als ein tatsächlich recht gewaltiger Zeitsprung. Nach und nach wird nämlich in Rückblicken auf die Entwicklung von Töchterchen eingegangen, die es doch tatsächlich gewagt hat, sich einen Freund zu suchen und den sogar noch trotz Nichtgefallen der eigenen Eltern zu behalten. Ein Student ist es, noch dazu ein Student der Philosophie, das scheinen die schlimmsten zu sein. Die sind nämlich durch die Auseinandersetzung mit den ganzen ganz großen Denkern der Menschheitsgeschichte mittlerweile so korrumpiert, dass sie es tatsächlich wagen, das System in Frage zu stellen. Das ist natürlich zu viel für das kleinbürgerliche Utopia und der Familienfrieden beginnt zu wackeln.

In einer weiteren der unzähligen Rückblenden bekommen wir dann doch noch ein potentielles Motiv für Töchterchens Rebellion geliefert: sollte am Ende alles nur passiert sein, weil Vati ihr einst mal eine gescheuert hat? Und das auch nur, weil Töchterchen, vermutlich nicht ganz zu Unrecht, angedeutet hat, dass Mutti eine Hure ist?
Man weiß es nicht. Und man weiß so einiges nicht, zum Beispiel warum es unbedingt gezeigt werden musste, dass die Eltern doch endlich im Lotto gewonnen haben. Um zu zeigen, dass die momentan andere Probleme haben? Um zu zeigen, dass sie gewohnte Rituale nicht mehr wahrnehmen?
Warum auch immer, es verpufft in Bedeutungslosigkeit.

Und am Ende? Am Ende sitzen wieder alle am Tisch. Es ist vielleicht nicht mehr ganz so idyllisch wie es einmal war, aber die Kamera leistet ihren Beitrag und zieht sich zurück. Sie fährt über den bis zum Erbrechen erwähnten Zaun und durch die Nachbarschaft.
Und es riecht nach Holzkohle und Bohnerwachs.

Und die Moral, die wir mitbekommen haben? Wer danach fragt, sollte es besser nicht tun.

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