GIRLTRASH! ist alles andere als Trash! Zugegeben, Geld wurde nicht viel umgesetzt, aber Kameraführung, Licht, Schnitt, Timing und Darstellerinnen sind erstklassig, professionell, durchdacht, dynamisch - und präzise wie ein Skalpell. Doch vor jeder „Kritik“ braucht dieses Werk zunächst ein paar Fakten.
GT! ist bisher noch (Stand Januar 2010) eine Online-Filmserie, die 2007-2009 wöchentlich veröffentlicht wurde.
Angeblich, laut Zwischentiteln in Episode 11 auf YouTube, wurde GT! an 12 Tagen gedreht. Danach ging der Produktion das Geld aus. Entsprechend gibt es leider nur 10 Episoden, jede ca. 2-3 Minuten lang, und zum Ausklang eine elfte, in der wir schon mit Schrifttafeln vorlieb nehmen müssen, um die Handlung zwischen den Szenen zu erfahren. Außerdem endet Episode 11 mit einem weiteren Cliffhanger (NB: wie alle Folgen), so daß das Werk bestenfalls „unvollendet“ zu nennen ist.
Trotzdem wird seit Dezember 2009 gerade eine Kino-Version der Online-Serie gedreht. Titel: GIRLTRASH: ALL NIGHT LONG. Gleiches Team, ähnliche Handlung, doch ist GT:ANL ein Musical unter Rockmusikerinnen. Die Handlung der Online-Serie dagegen spielt, ganz ohne Show-Einlagen, im White-Trash-Milieu glückloser Kleingangsterinnen (SPOILER!):
„GIRLTRASH! is the story of three hapless chicks getting by any way they can. Tyler and Daisy are small-time criminals and best buds. Their friendship is put to the test when Tyler is seduced by the two-timing temptress, LouAnne. When LouAnne double-crosses Tyler and Daisy by stealing money from the local Kingpin, Tyler and Daisy are thrown into a world of shit. They need to find the money and LouAnne before they turn up dead... or worse.“
Hoppla! Plötzlich wechselte die Sprache!
Wie für diesen Spoiler müssen wir für GT! der englischen Sprache ziemlich mächtig sein; möglichst ÜBERmächtig, weil GT! erstens nie synchronisiert wurde und es sich zweitens um ein typisches Independent-/Underground-Werk handelt. Also läßt der Ton öfters Wünsche offen und der Slang ist Umgangssprache. Dazu Witz und Tempo in den Dialogen... Das sind ziemliche Herausforderungen. Doch ein Vorteil der 11 Episoden, inkl. langer Abspanne, ist immerhin, daß wir alle 2 Minuten informiert werden „was bisher geschah“, also wird die Handlung halbwegs klar.
Sagte ich schon, daß dieser abgebrühte Gangsterfilm im Lesben-Milieu spielt?! Damit ist GT! natürlich noch prädestinierter für einen antikommerziellen Untergrundkracher. Wer also, wie ich, auf klassischen Indylook in seinen besten (80er) Jahren steht, d.h. Handkamera, grobes Korn, Reißschwenks, Schwarzweissfilm mit farbigen Einsprengseln, blitzartige Rückblenden, Natürliches Licht, Überstrahlungen durch Gegenlicht, Slacker, Sarkasmen und Kraftausdrücke, wird an GT! seine helle Freude haben. Auch das gestückelte Dasein der Episoden hat seinen bizarren Reiz: Dies ist kein Film, in dem wir uns verlieren können. Wir treten immer wieder aus der Handlung und können Reviews ersinnen.
Wer mehr will, sieht auch einen politisch korrekten Film: GT! spielt nicht nur unter Lesben, er kommt aus dem Zentrum der entsprechenden Polit-Bewegung in den USA. Die Autorin/Produzentin/Regisseurin Angela Robinson ist nicht nur für diverse Folgen der TV-Serie „The L-Word“ verantwortlich, sie wurde von der LGBT-Webseite afterellen.com zu einer der „Top 13 Power Lesbians in Entertainment in 2007“ ernannt; ihr Kurzfilm D.E.B.S. und jetzt auch GT:ANL wurden von „Power Up“ ("Professional Organization of Women in Entertainment Reaching Up") produziert, einer Nichtregierungsorganisation mit dem Ziel "to promote the visibility and integration of gay women in entertainment, the arts, and all forms of media".
Doch Schluß mit der Werbepause für politisches Bewußtsein!
Was wir wirklich lieben, sind natürlich äußerlichere Attraktionen. Und da lässt sich GT! Nicht lumpen. Trotz der politischen Vorbelastung handelt es sich um einen rasanten, leichtfüßig-sarkastischen Genrefilm (Persiflage? Komödie?) ohne ermüdenden Kunstanspruch oder tiefschürfende Botschaften. Und trotz kaum vorhandenem Budgets und Gratisvermarktung im Internet gibt es sexy Schauwerte in rauhen Mengen:
Neonbeleuchtete Großstadtstraßen, nächtliche Autofahrten durch L.A., Fesselqual im Heizungskeller, Schießerei im Waschsalon, attraktive Heldinnen in ihren besten (20er) Jahren mit lockerem Mundwerk und harten Fäusten, die entführte kleine Schwester, an ihre leidenschaftliche Freundin gekettet ("If I? die, I want to die kissing you"), coole Sprüche, fetziger Gitarrensound, eine angepisste Kidnapperin mit Liebe zum Golfspiel, eine verführerische Ladykillerin, eine fiese Ex-Freundin usw. usf. - D.h., eigentlich fällt mir gar nicht mehr so viel ein. Alle 11 Folgen zusammen sind nämlich nicht mehr als ein flotter Kurzfilm mit knackigen Dialogen. Doch in der Kürze liegt die Würze! Grüße von Tarantino wären angebracht. Ein Best-Buddies-Movie, der Fans schafft!
PS: Angesichts der geringen „Production Values“ wundert mich, daß GT! das Geld ausgehen konnte. Normalerweise könnte so ein spaßiger, liebevoller Trash auch quasi „ohne Geld“ gedreht werden. Aber vielleicht bin ich da noch zu idealistisch (= unprofessionell). Und es ist schon richtig, die Selbstausbeutung sollte irgendwann enden.