Man nehme eine weltbekannte Abenteuersage, inszeniere sie reichlich straight, füge einiges an Augenzwinkern hinzu, rühre einige vage Anachronismen darunter, modernisiere hinten und vorne ein wenig und proppe schließlich einen All-Star-Cast in das Gemisch und fertig ist der berechnetste Blockbuster der 90er, den man sich auch noch ohne Magenschmerzen ansehen kann.
Diese (vorerst letzte) ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Robin-Hood-Mythos dürfte das Thema bis auf weiteres erst mal lahm legen, denn um das hier zu übertreffen, muß sich jemand wirklich was einfallen lassen.
"A Tale of two Kevins" könnte man diesen Mix nennen, denn Regisseur Reynolds und Star Costner drücken dem Geschehen den publikumsfreundlichsten Stempel seit langem auf.
In wesentlichen Grundzügen halten sie sich sogar an die Vorgaben der berühmten Bücher, auch wenn sie die Story um den Usurpatoren Prinz John mal eben aussparen und sich dafür auf den Sheriff von Nottingham und Gisbourne als Handlanger verlegen. Ausgehend von einem Prolog im Heiligen Land, der die Neuerfindung des Mauren Azeem an Robin kettet und Costner auftragsgemäß an Marian kettet, wird das Geschehen bald nach England verlegt, wo Reynolds wenigstens einigermaßen im mittelalterlichen Dreck wühlt, wenn es um die Darstellung der Lebensumstände geht.
Wenn es nötig ist, lockern dann ein paar Erfindungen, die der "dunkelhäutige Wilde" mitbringt, das Geschehen immer so weit auf, daß kein Stillstand entsteht, seien es nun Ferngläser, simple mechanische Hilfsmittel oder mal ein Kaiserschnitt, der beim Kerzenschein in einer Laubhütte vollzogen wird. Die Differenzen zwischen Robin und Azeem und die Reaktionen auf den Mauren bieten darüber hinaus einen reizvollen Kontrast.
Ansonsten proppt das Skript den Film ordentlich voll: Marian als kämpferisch aufgeklärte junge Frau (um ihre Fähigkeiten am Ende gegen den Sheriff zu verlieren), der Sheriff als interessierter Lover, ein Wahrsage-Prophezeiungs-Schmus zwischendurch, Konflikte mit Will Scarlett, der sich als Robins Halbbruder entpuppt, ein korrupter Kirchenmann und anderes peppen den üblichen Plot mit Räubereien, Stangenkampf, Ausbildung und Sturm auf Nottingham auf.
Das wird alles flott erzählt und bietet ständig was fürs Auge, ohne in Sülze oder Sirup abzurutschen.
Als sei dies jedoch nicht genug, haute man mit der Figur des Sheriffs noch eine tiefe Kerbe in den Film. Alan Rickman bietet nicht nur eine gar finstere Erscheinung (mimisch, Kleidung), er verreißt das Ruder in punkto Overacting dermaßen, daß man bisweilen meint, in einer Satire zu sein. Unvergessen das Insert, in dem Rickman mäßig die Kammer der Wahrsagerin verwüstet, dann mit einem Dolch auf dem Tisch herumhackt, bis sie schließlich in die hereinbrechende Stille fragt: "Quält euch etwas?". Noch berühmter sein wutentbranntes "...und sagt Weihnachten ab!", ehe er sich für 15-Minuten-Abstände Frauen für sein Schlafgemach bestellt.
So gerät das Finale zu einem hervorragenden, wenn auch letztlich etwas schrillen Showdown, wenn Rickman sich bemüht, in einem gerade gestürmten Schloß Lady Marian zu bespringen.
Alle Mitwirkenden agieren auf höchstem Niveau, bedenkt man, daß es sich um einen Abenteuerfilm handelt. Costner hält sich praktisch zurück, bricht ironisch mit dem Heldenmythos, wenn er dem Barbaren Azeem ständig unterlegen ist, wenn es um Einfallsreichtum geht. Freeman reißt den Film fast unmerklich an sich und strahlt eine Wärme aus, die dringend gebraucht wird. Mastrantonio ist eine brauchbare Marian und die Merry Men sind hervorragend ausgesucht, wenn Slater als Scarlett beinahe verschwendet wirkt. Rickman dagegen hat die besten Szenen und die schönsten One-Liner und wenn nötig, stiehlt er sie eben durch seine simple Präsenz. Stets säuerlich oder wütend, ist er die perfekte Vermenschlichung eines Darth Vader.
Fast schon unnötig das Cameo von Sean Connery am Schluß, setzt aber das absolute Sahnehäubchen auf eine Torte, die eh schon Hochhausgröße hat.
Zum Glück erhebt niemand den Anspruch, den wahren und einzigen "Hood" hier inszeniert zu haben, doch da die Produktion in Saft und Kraft steht und vor Energie strotzend beinahe hintenüber kippt, fällt das bei allen Fehlern (Kelten im 12.Jahrhundert!) kaum auf. In seinem eigenen (leicht unlogischen) Kosmos bleibt der Film geschlossen und kommt so als Prachtschinken hervorragend rüber.
Deswegen kann man ihn auch immer wieder sehen, ohne Abnützungserscheinungen zu bekommen und wenn uns Bruder Tuck zum Schluß mit einem Augenzwinkern aus dem Kino oder dem Fernsehsessel schmeißt, dann wissen wir: Habt ihr euch verdient, Jungs. Geile Show! (8/10)