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Welche Ingredienzen sind unerlässlich für einen Film, der die pickeligen Schuljungs ins Kino locken soll? Eine schlichte Hypothese: Krachende Autos, hübsche Mädchen die nicht allzu sehr an Textilien hängen, coole Helden als Identifikationsfiguren, einen großen Wumm nach dem nächsten, hohe Blutfontänen um mit dem Film virtuelles Armdrücken als Mutprobe zu betreiben zu können (damit kann man hinterher auch prima angeben!) und natürlich möglichst wenig Schleifpapier für die Gehirngänge. Klingt nach einem Film für dich? Du kannst dich glücklich schätzen: Anfang Oktober wird ein Musterexemplar dieser Gattung die bundesdeutschen Kinos überfluten und dich bis zum Koma bespaßen. Das gute Stück nennt sich „Planet Terror“ und wurde von der Produktionsfirma wohlweislich von seinem eher weniger kongenialen Partner „Death Proof“ getrennt, mit dem er ursprünglich durch den Titel „Grindhouse“ als Hommage an das selige Autokino der 70ziger - bei uns gab es so etwas übrigens auch - zusammengehalten wurde und sich in diesem Zusammenhang als wenig gewinnträchtig erwies.

Bemerkenswert ist der Umstand, dass man den hier vorliegenden ersten Bruder mutmaßlich nicht nur aufgrund des klangvolleren Namens Quentin Tarantino und der ungleich geringeren Effekt-Dichte sondern wohl auch aufgrund seiner minderen filmischen Qualität in die zweite Reihe verwiesen hat. Ein Vergleich zwischen den beiden äußerst unterschiedlichen Werken wäre ungerecht denn während Robert Rodriguez die Idee offenbar nur „cool“ (um nicht „hip“ zu sagen) fand, hat sich Tarantino mächtig ins Zeug gelegt und diesem interessanten Projekt den nötigen Respekt entgegen gebracht. Beide Filme sind Partystreifen wie sie der allmächtige Gott der Kinounterhaltung nur noch selten in die Multiplexe entsendet, mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Der eine sollte (und wird) eher auf Bierringkämpfen junger Burschen goutiert werden, der andere hat es eher auf die erwachsenen Kerle die sich ihre Hörner schon abgestoßen haben, abgesehen. Nun denn – rein faktisch würde man mich wohl eher ins erste Lager einsortieren, doch der Schein trügt – wie so oft – auf beiden Seiten.

Denn „Planet Terror“ ist paradoxerweise genau der Film, den ein Großteil der Tarantino-Jünger mit „Death Proof“ gerne gesehen hätte. Er ist atemlos rasant, bizarr dank seiner teils wahrhaftig unglaublichen, bewusst trashig umgesetzten Einfälle, es hagelt megacoole Sprüche im Minutentakt und keine Gelegenheit für ausgiebige Blutkissenschlachten wird ausgelassen. Da bleibt kein Auge trocken – sollte man zumindest meinen. Leider findet sich für all jene Zuschauer, die nicht über die glückliche nutzlose Begabung Nr. 2 verfügen, ihren Hang zu Grübeleien an der Kinokasse zurückzulassen, schnell ein großer, schöner Haken an dem sie hoffnungslos hängen bleiben können.

„Planet Terror“ hat etwas von einem Jahrmarktsbesuch an sich: Man wandelt staunend von Attraktion zu Attraktion und kehrt erschöpft und mit leerem Portemonnaie ins traute Heim zurück wo man sich die kargen Erinnerungen an das flüchtige Vergnügen alsbald vom Leibe schläft. Auch wenn sich die Sachlage oberflächlich betrachtet genau gegensätzlich verhält: Im Gegensatz zu Quentin Tarantino, der trotz der Unmenge an Zitaten in „Death Proof“ mehr Souveränität und Reife denn je bewiesen hat, scheint Robert Rodriguez sich kaum weiter entwickelt zu haben. Sein jüngstes Werk krankt immer noch an den gleichen eklatanten Schwächen wie seine bisherigen Filme und bietet zur Kompensation immer noch die wenigen, gleichen Qualitäten, deren Wirkung sich hier nach dem letzten Reprise mit dem durchaus interessanten „Sin City“ zunehmend abnutzt.

Ohne Reue heran gezüchteter Pulp, ein bunter Action-Comic – das waren Rodriguez’ Filme bisher und das ist auch „Planet Terror“. Der Anhänger des Regisseurs erhält die volle Packung. Erschreckend wird einem plötzlich bewusst wie wenig - wenngleich diese wenigen Unterschiede signifikant weil ideologischer Natur sind – sich Rodriguez Arbeitsweise von der des umstrittenen Michael Bay unterscheidet. Beide kämpfen meist mit ihren Drehbüchern, das flüssige, dynamische Erzählen selbst einfachster Geschichten fällt ihnen schwer – daher stellen sie eine große Palette eindrucksvoller Schauwerte zusammen, gehalten von einem Minimum an Handlung. Nicht umsonst steht im Vorspann entgegen der gebräuchlichen Reihenfolge "Directed and written by Robert Rodriguez". Was Rodriguez’ Film trotz dieser im Grunde nicht sonderlich reizvollen Erzählstruktur dennoch sympathisch macht ist sein offenkundiges Bekenntnis zum Trash und zur spekulativen Exploitation. Ersterer findet sich im Film, dem man sein großzügiges Budget im zweistelligen Millionenbereich zu jeder Minute ansieht, freilich nicht wieder, denn schließlich wurde hier nichts dem Zufall überlassen, jedes Schmunzeln des Zuschauers ist gewollt. Doch all der irrwitzige Unfug - auch die grotesk überzogenen, reichlichen Splatter-Szenen - den Rodriguez seinem Publikum vorwirft unterscheidet sich von echtem Trash tatsächlich nur durch seine hervorragende Machart und durch die Planung selbst kleinster Details. Auch wenn die im Übermaß eingestreuten Kratzer, Laufstriche und Bildsprünge – die eine Projektion von einer alten, schwer geschundenen 35mm-Filmkopie simulieren sollen – das Gegenteil implizieren: „Planet Terror“ ist eine große Hollywood-Produktion und sieht auch so aus. Rodriguez hat den weit massentauglicheren, glatteren Film gedreht als sein Kumpel Quentin Tarantino, der in diesem Rahmen und dieser Zusammenstellung beim Mainstream-Publikum erstmals in Ungnade gefallen ist.

Das intelligente, todsichere Fahrgestell, auf dem Tarantino seine Figuren fahren lässt, ist in „Planet Terror“ nicht einmal zu erahnen. Wo subtiler Witz, ironische Seitenhiebe und ein starker, direkt aber einfallsreich klingender, pro-feministischer Ton „Death Proof“ dominierten, herrscht bei Rodriguez gähnende Leere. Satirische Anspielungen wie der Rat der aus dem infizierten Krankenhaus entflohenen Ärztin an ihren kleinen Sohn – „Egal wer kommt – du muss auf ihn schießen, einfach so wie in deinen Computerspielen!“ – „Und wenn es mein Dad ist?“ – „Ganz besonders, wenn es dein Dad ist!“ – ersticken im Keim und scheinen für Regie und Drehbuch bei weitem nicht so interessant wie das nächste brachiale Krachen in Bild und Ton. Beinahe deplaziert wirkt schon der Auftritt Quentin Tarantinos, der als schmieriges Mitglied einer Spezialeinheit unserer feuerscharfen Heldin Cherry Darling (Rose McGowan scheint nach einigen mauen Jahren tatsächlich zu einer neuen Karriere aufzubrechen) zu nah auf die Pelle rückt und das mit der vorzeitigen, infektiösen Verwesung seiner Kronjuwelen bezahlen muss. Deplaziert warum? Auf seinem Monitor läuft ein Trailer zu dem WIP-Heuler „Frauen hinter Zuchthausmauern“. Der ruft einem nämlich ins Gedächtnis zurück was man schon nützlicherweise vergessen hatte: Das „Planet Terror“ ein Teil eines fiktiven Grindhouse-Double-Features ist welches eine Hommage an…etc…

Es ist sicherlich richtig, dass Rodriguez derartiges – leider - nie im Sinn hatte. Sein Film soll einfach nur Spaß machen. Und mit Einschränkungen tut er dass auch. Nur tanzt er nicht selten – und besonders in der unter akutem Action-Overkill leidenden zweiten Hälfte, die bei einem solchen Streifen eigentlich erst die Ernte einfahren sollte – einen gefährlichen Tanz auf den Nerven des Zuschauers mit seinen abartig coolen Kalauern und seinem Verzicht auf Stimmung und Emotion. Atmosphäre hat „Planet Terror“ nicht, dafür aber einen hohen Überwältigungseffekt der leider im Kino allzu viele darüber hinwegtäuschen wird, das sich hinter einigen mit Platin aufzuwiegenden Einfällen und gelegentlich gelungenen Witzen ein reichlich platter, inszenatorisch uninteressanter und alles andere als einfallsreicher oder gar atmosphärisch dichter Film verbirgt. Echtes, großes Kino bzw. fettes Bumm-Bumm und unappetitlich-schaulustige Schlachtplatte für 14jährige! Die dürfte denn auch das Fehlen dreier der insgesamt vier Fake-Trailer aus der US-Fassung und die eher lustlose deutsche Synchronisation nicht weiter stören.

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