Go-Go-Tänzerin mit Maschinengewehrbein gegen den Rest der (Zombie-)Welt
In den 60er, 70er und 80er Jahren erfreuten sich sogenannte Grindhousefilme (im deutschsprachigen Raum am ehesten mit den Filmen der Bahnhofsnonstopkinos jener Zeit zu vergleichen) größter Beliebtheit und wurden oft so lange non-stop gespielt, bis große Teile dieser Werke einfach fehlten, die Tonspuren ausfielen oder sich die jeweiligen Filmrollen gar in Wohlgefallen auflösten. Filme des Splattergenres waren in diesen Kinos ebenso beheimatet wie Kung-Fu-Filme, Blaxploitationreisser und Bikerstreifen. Die Themen waren Nebensache; Hauptsache genügend Gewalt, Sex und abseits des Mainstreams beheimatet.
Aufbauend auf ihrer Liebe für diese Thrashproduktionen entwickelten Quentin Tarantino und Robert Rodriguez ein Konzept, das zwei knapp 75 minütige Thrashfilme verschiedener Genres zu einem Kinoerlebnis der besonderen Art verbinden sollte. Ihre Idee einer „Grindhouse Doublefeature“, als liebevolle und möglichst authentische Hommage an die glorreichen 60er - 80er Jahre, entwickelte sich im letzten Jahr jedoch ziemlich sicher anders, als es sich die beiden Kultfilmer erwartet beziehungsweise erhofft hatten. Aus der angestrebten Double Feature mit vier Faketrailern von namhaften Regisseuren wie Rob Zombie („Werewolf Women oft he SS“) und Eli Roth („Thanksgiving“) entwickelten sich, nach dem eher mäßigen Start in den USA, zwei deutlich längere Filmversionen für den Rest der Welt.
Von diesem Moment an wurde von offizieller Seite sogar behauptet, dass das Unternehmen von vornherein als dreiteiliges Werk - „Grindhouse Feature“ für den amerikanischen Markt, Langversionen von „Planet Terror“ und „Death Proof“ für den Rest des Planeten - geplant war.
Das Ergebnis (zumindest in den meisten Teilen Europas) sind somit zwei, voneinander (nahezu) unabhängige, Filme.
Der erste Teil „Death Proof“ von Tarantino kam kurze Zeit vor „Planet Terror“ in die deutschen (und österreichischen) Kinos und hat (meiner Meinung nach) keine eigene Existenzberechtigung. Als Teil eines Features und in der ursprünglich geplanten 75 Minuten Version, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der Film Grindhouse Atmosphäre erzeugen kann. Losgelöst davon und auf nahezu 120 Minuten aufgeblasen, reicht es aber nur zu einer platten und dialoglastigen Selbstbeweihräucherung des meistüberschätzten Regisseurs unserer Zeit.
Nach der negativen Erfahrung mit Tarantinos Beitrag waren meine Erwartungen an die Langfassung von „Planet Terror“ somit so gering, dass ich ruhigen Gewissens auf einen Kinobesuch verzichtet und auf die DVD Auswertung gewartet habe. Ein Fehler wie sich im Nachhinein herausstellen sollte.
Die Zombiehatz mit Stars wie Rose McGowan („Charmed“, „Death Proof“), Freddy Rodriguez („Harsh Times“), Josh Brolin („No country for old men“) aber auch Bruce Willis („Stirb langsam“) und vor allem so namhaften B-Movie Ikonen wie Michael Biehn („Terminator“), Jeff Fahey („Der Rasenmähermann“) und Tom Savini („From Dusk Till Dawn“) hat mich bis auf einen winzigen Kritikpunkt (dazu später mehr) auf der ganzen Linie überzeugt.
Der Inhalt dieses Splatterfilms ist schnell erzählt. Ein mysteriöser Virus zombifiziert alle Menschen in einem Kaff in der Nähe eines Militärstützpunkts. Der Zuschauer kann verschiedenen Parteien – einem ehemaligen Pärchen, einer Lesbe, einem verrückter Koch, diversen Polizisten… - bei ihren jeweiligen Überlebenskämpfen und der schrittweisen Aufdeckung der Hintergründe dieses Anschlags über die Schulter schauen. Somit steuert man als williger Betrachter - ganz 80er-like - auf das unausweichliche Ende („Mad Max“ lässt grüßen) zu.
Das Ganze wird nur von gelegentlichen Kratzern, Tonaussetzern und Bildrissen unterbrochen, die zwar absichtlich in die Produktion eingebaut wurden; meiner Meinung nach aber aus den falschen Gründen.
Damit wären wir auch schon bei meinem Kritikpunkt angelangt. Nicht nur, dass diese Spielereien das Sehvergnügen beträchtlich schmälern, sie basieren auch auf einem grundlegenden Irrtum beider Regisseure. Die ganze Geschichte beruht auf der Annahme, dass Grindhousebesucher die dort gezeigten Meisterwerke wegen ihrer schlechten Qualität und ihrer einzigartig miesen Filmrollen lieben. Das zielt aber komplett an der Wahrheit vorbei. Wir/Sie lieben diese Filme wegen ihrem Witz, ihrer Gewalt und/oder ihren abgedrehten Figuren und schauen deswegen über eventuelle Schwächen hinweg. Somit müssen diese Schwächen nicht zwangsläufig künstlich erzeugt werden. Natürlich ist diese Herangehensweise etwas Neuartiges und sieht stylisch aus. Trotzdem hätte ich persönlich die genial kurze und harte Handlung von „Planet Terror“ im Romerostil weit besser genießen können.
Aber dieses kleinliche Fehlersuchen soll Rodriguez Regieleistung nicht schmälern. Gewohnt routiniert kurbelt der (Neu-)Freund von McGowan die Actionszenen herunter, baut Referenzen ohne Ende ein, lässt B-Moviehelden aufmarschieren und schafft es sogar, ganz nebenbei Spannung, Action, Humor und Innovation (Maschinenegewehrbein) in einem billigen Zombieflic zu vereinen.
Zu den Darstellerleistungen kann ich nichts Negatives sagen. Alle Beteiligten schlagen sich mehr als wacker durch die Zombiehorden, wobei vor allem Michael Biehn und Jeff Fahey (als Brüderpaar) und Bruce Willis (als abgedrehter Soldat) auf der ganzen Linie überzeugen können.
Die Effekte beschränken sich zwar in den meisten Sequenzen auf massig Blutkonserven und explodierende Körper, aber ein abschließender Helikopterflug und McGowans künstliches Bein haben es technisch durchaus in sich.
Blut fließt, wie es sich bei einer Hommage an die gute alte Zeit gehört, in Strömen und einige schleimige Abgänge sind als Apparativ ebenfalls vertreten.
Fazit
„Planet Terror“ trifft genau den Ton, den ich mir, nach Ankündigung dieses Projektes, von beiden Filmen erwartet hätte. Sex, coole Dialoge, Ekel, Splatter und Gewalt verpackt in eine (nicht unbedingt notwendige) pseudozerstörte Optik und versehen mit unzähligen Referenzen an eine Zeit, in der Splatterstreifen noch nicht mit mehr Kopien ins Rennen um die Boxoffice-Krone geschickt wurde als die neueste Disneyproduktion und die Optik eines Horrorstreifens nicht über den tatsächlichen Inhalt triumphierte.
Nachsatz
Ich für meinen Teil bin neugierig, ob das Gesamtwerk der Beiden (in Verbindung mit den vier Trailern) einen noch besseren Eindruck erweckt als „Planet Terror“ für sich allein genommen.
Das kann ich mir jedoch fast nicht vorstellen.