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Franz Buchriesers letzte Folge als Kottan gehört zu den Höhepunkten der gesamten Serie, in der eine Konsequenz aus messerscharfer Beobachtung, demaskierender Charakterisierung und satirischem Witz, verbunden mit einer bis zum überzeugenden Ende schlüssigen Story gelang, die später nicht mehr wiederholt werden konnte.

Besser, nicht wiederholt werden wollte, denn mit Lukas Resetarits übernahm ab der nächsten Folge ein Darsteller den Kottan, der mit seinem jugendlichen Elan der Serie immer mehr die Ernsthaftigkeit austrieb. So wurde Buchriesers Abschied auch ein bisschen zum Abschied der "alten" Kottanfolgen, die immer Elemente der Gesellschaftskritik aufwiesen und trotz aller Übertreibungen authentisch bei der Schilderung des jeweiligen Wiener Milieus blieben. "Drohbriefe" erreicht dabei noch einmal das großartige Niveau der ersten Folge "Hartlgasse 16a" und es ist kein Zufall, dass hier ebenso wie in der ersten Kottanfolge Maria Englstorfer eine der Hauptrollen übernahm.

Hier spielt sie die Witwe Komarek, die in einer kleinen Siedlung am Rand der Stadt Wien lebt und seit dem Tod ihres Mannes im Clinch mit ihren Nachbarn liegt, die keine Gelegenheit auslassen, sie zu schikanieren. Doch auch Frau Komarek weiß sich zu wehren, wodurch sich die Auseinandersetzungen immer mehr hochschaukeln. Erst als sie Drohbriefe erhält, die ihr mit Mord drohen, wird es ihr zu viel und sie geht zur Polizei. Major Kottan weiß nicht so recht, wie ernst er diese Briefe nehmen soll, aber als der erste Mord geschieht, wird daraus tödlicher Ernst...

Bis dahin lässt sich der Film sehr viel Zeit und widmet sich detailliert den sich gegenseitig bekriegenden Wiener Zeitgenossen, deren reaktionäres und ausländerfeindliches Gedankengut nur zu offensichtlich ist. Auch Frau Komarek macht da keine Ausnahme und Kottan, der fast täglich zu Hause Besuch von der alten Dame bekommt, weiß nie so genau, ob er seinen Pflichten als Polizist nachgehen soll oder selbst immer stärkere Aversionen entwickelt. Maria Englstorfer gelingt dabei eine Darstellung aus Penetranz und freundlicher Bauernschläue, die auch den Betrachter ständig zwischen genervter Haltung und Sympathie schwanken lässt, was auch an ihren Nachbarn liegt, deren sture Denkweise nur wenig Mitgefühl erzeugt.

Kottan selbst nimmt in dieser Folge eine Nebenrolle ein, die sich fast passiv verhält und auch seine beiden Kollegen Schremser und Schrammel haben hier nur wenige Momente überzeugender Polizeiarbeit zu bieten. Wohltuend im Vergleich zur vorherigen Folge "Nachttankstelle" ist zudem die Zurückhaltung im Kottanschen Privatleben, welches dazu noch eng verzahnt mit den Avancen der Frau Komarek geschildert wird. "Drohbriefe" konzentriert sich auf seine Story, die auch ohne zusätzliche Gags oder Nebenstories genügend Stoff für eine Realsatire bietet.

Franz Buchriesers Abschied aus der Rolle des Major Kottan gelang vielleicht deshalb so überzeugend, weil durch sein Spiel hier die Illusion zerstört wird, die Polizei könnte durch die Aufklärung eines Falls, auch die dahinter verborgenen gesellschaftlichen Probleme lösen, wie es gerne im gängigen Krimi vermittelt wird. Das Ende ist zugleich komisch und desillusionierend und wenn der letzte Blick auf das Gesicht des Franz Buchrieser fällt, dann spürt man in seinem melancholischem Blick, dass es für ihn keine weitere Existenz als Kottan geben würde (9,5/10).

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