Review

Schwer, über Kids ein paar Worte zu verlieren, denn über Kids sprechen, heißt in Platitüden verfallen oder schweigen. Man darf Kids wohl Scheiße finden, man darf ihn großartig finden, aber letztendlich ist eine Bewertung hier ohne weitere Bedeutung, weil jeder sich seine eigenen Gedanken machen sollte, zu dem was er da sieht.
Die Story, wenn man sie denn so nennen kann, konzentriert sich auf einen Jungen und ein Mädchen, die vor kurzem miteinander geschlafen haben. Sie sind beide so um die 13/14 Jahre alt. Da erfährt das Mädchen, daß sie HIV-positiv ist, was bedeutet, daß sie den Virus von diesem Jungen haben muß. Dessen liebste Sportart ist das "Knacken" von Jungfrauen, also die Entjungferung ohne Kondom. Dafür läßt er sogar seinen Charme spielen, der sonst schon in einem Konglomerat aus Alkohol und billigen Drogen untergegangen ist. Aufgrund ihrer Erkenntnis macht sich das Mädchen auf eine filmlange Reise durch die Stadt auf die Suche nach dem Jungen, in der Gewißheit, daß er seinem Sport wieder frönen wird. Die Odyssee führt sie über die von Kindern und Jugendlichen bevölkerten Straßen New Yorks und auf die Partys der Kids, wo Drogen das Allheilmittel gegen Langeweile sind, wenn kein Sex zu bekommen ist. Am Ende findet sie den Jungen, doch der ist schon wieder bei einem anderen Mädchen zum Zug gekommen. Resigniert bleibt sie in einem Raum voller Partyleichen zurück und läßt willenlos zu, wie der Freund des Jungen über sie herfällt.
Kids braucht keinen mahnenden Zeigefinger, wie diese ungefähre Inhaltsangabe vielleicht vermuten lassen könnte, sondern läßt einzig und allein seine Bilder sprechen. Die Dialoge sind nur Beiwerk in einem Kaleidoskop aus Drogen, Sex und Alkohol. Doch die Bilder reichen dem Film voll und ganz, mehr ist gar nicht nötig.
Kids schafft es, dem aufmerksamen Zuschauer fast körperliche Schmerzen zuzufügen, denn die Betrachtung wird bei der hier inszenierten Nüchternheit und Realitätsnähe dem Zuschauer nicht leicht gemacht. Natürlich kann ich mir nicht anmaßen, zu sagen, ob die hier dargestellten Szenen auch nur im mindesten der Realität entsprechen, aber wirksam sind Larry Clarks Bilder auch so. Da der Film auf jedermann wohl anders wirken wird, verzichtete ich hier auf eine generelle Einschätzung, möchte aber betonen, den Film auf Video mehrfach unterbrochen zu haben, um ihn überhaupt ertragen zu können. Und die Schlußszene mit der zugelassenen Vergewaltigung ist in ihrer zermürbenden Stille und qualvollen Langgezogenheit das Schlimmste, was ich in der letzten Zeit gesehen habe.(Wie gesagt, man darf den Streifen verwerfen, aber wer in dieser Szene gröhlend und feixend in seinem Sessel hockt, gehört meiner Meinung nach kastriert.)
Ich habe mich bei Kids für 8/10 entschieden, aber eigentlich ist eine Note irrelevant, da hier nur die Wirkung zählt, kaum die Schauspieler (die Unglaubliches leisten) und noch weniger die filmischen Mittel. "Kids" ist eine Erfahrung, wenn auch vielleicht keine Offenbarung (darüber darf diskutiert werden), aber er ist definitiv kein Unterhaltungsfilm.
In Bilder umgesetzter Schmerz, für jeder mann zugänglich.

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