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Von vielen geschätzt, von vielen verpönt – das ist Larry Clarks „Kids“, ein semidokumentarischer Abriss über den Alltag einer New Yorker Clique, deren Leben vorbei ist, bevor es überhaupt richtig begonnen hat.

Dass „Kids“ so viele Kontroversen entfacht hat, dürfte vor allem daran liegen, dass Clark hier kein klassisches Jugenddrama mit rotem Faden und Charaktermimen abliefert, sondern einfach nur einen Einblick in das Leben einiger aussichtsloser Jugendlicher gibt, wofür ihm zwei Tage reichen. Der Film folgt den Teenagern Telly, dessen Hobby es ist, Jungfrauen zu „knacken“, und Casper auf ihrem alltäglichen Trip durch die Straßen und Hinterhöfe New Yorks, den sie nur mit reichlich Alkohol und sonstigen Drogen ertragen können. Als ein Mädchen erfährt, dass Telly AIDS hat, versucht sie ihn möglichst schnell zu finden, bevor er noch mehr seiner Eroberungen ansteckt, aber der hat sich mit der Schwester eines Kumpels etwas vorgenommen.

Um seinem Film möglichst viel Realität einzuhauchen, castete Clark ausschließlich Laiendarsteller, die hier unglaublich glaubwürdig agieren, weil sie vielleicht auch ein bisschen sich selbst spielen. Leider ging die deutsche Synchro meiner Meinung nach gründlich in die Hose, denn wenn Casper gleich zu Beginn zu Telly meint „Ey Alder, was gehtn ey, hast se voll gefickt?“, dann wirkt das nicht wie ein cooler Ghetto-Slang, sondern einfach nur nervtötend.

„Kids“ wirkt so phasenweise fast wie eine Dokumentation und nicht wie ein normaler Film, womit sich viele Zuschauer schwer tun dürften. Das Fehlen einer richtigen Story macht Clarks Werk eher zu einer Erfahrung als zu einem gewöhnlich konsumierbaren Film. Ich bin deshalb auch nach dem zweiten Durchlauf nicht unbedingt einer, der „Kids“ für das Nonplusultra in Sachen Jugenddrama hält, aber der Sogwirkung dieser schmerzvollen Bilder kann man sich irgendwie doch nicht entziehen. Wenn ein Taxifahrer zu Jennie, die auf dem Rücksitz hockt, etwas von einem glücklichen Leben erzählt und man weiß, dass sie an diesem Tag von ihrer HIV-Infektion erfahren hat, dann lässt das wohl niemanden kalt.
Man wird ihn nicht unterhaltsam finden, man wird ihn noch viel weniger mögen oder ein zweites Mal sehen wollen, aber die Erfahrung mit „Kids“ sollte jeder einmal gemacht haben.

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