Aus der Feder von Russell T. Davies stammt der britische TV Sechsteiler "Century Falls", der nach seiner Erstausstrahlung 1993 erst im Jahre 2006 zu DVD-Ehren gelangte. Die Mini-Serie hatte damals als Zielgruppe ein entsprechend junges Publikum im Spätnachmittagsprogramm; die BBC DVD von 2 Entertain Video wartet mit einer Freigabe von PG auf (Parental Guidance), hierzulande wäre wohl eine FSK12 fällig.
Dies ist in erster Linie der Thematik geschuldet, die mit reichlich vielen Elementen ausgestattet ist, welche einem Kind sicherlich schlaflose Nächte bereiten können.
Tess Hunter, leicht übergewichtiger Backfisch, zieht mit ihrer alleinerziehenden und schwangeren Mutter in das Kaff Century Falls, das quasi nur von alten bis greisen Menschen bewohnt ist, welche mehr oder weniger seltsame Verhaltensweisen pflegen. Die einzigen Kinder im Ort sind die Zwillinge Ben und Carey Naismith, welche erst kürzlich zurückgekehrt sind, nachdem man sie vor Jahren von dort wegschickte. Schon bald entdeckt Tess einen merkwürdigen Wasserfall, sowie eine alte Tempelruine. Gemeinsam mit dem Zuschauer erschließt sich Tess im Verlauf der einzelnen Episoden das dunkle, zerstörerische Geheimnis von Century Falls, welches seinen Ursprung in einer Katastrophe hatte, die sich vor über 40 Jahren ereignete. Kein Kind wurde seit diesem Tag mehr geboren in Century Falls...
Für eine TV-Produktion mit dieser Zielgruppe ist "Century Falls" erstaunlich ernsthaft geraten. Ich kann mich an keine einzige komische oder humoristische Szene erinnern. Stattdessen herrscht stets eine düstere, bedrohliche, ernste Atmosphäre vor. Okkult, rätselhaft, bisweilen gar grotesk und surreal wirken manche Szenen - fast bin ich geneigt, "Century Falls" als eine Art "Twin Peaks" fürs Kinderprogramm zu bezeichnen. So als ließe man David Lynch eine Folge von "Die Drei Fragezeichen" verfilmen.
Zu dem Thema des Übernatürlichen gesellt sich die permanente Grundstimmung einer latenten Bedrohung, welches sich zwar nur selten in physischer, umso öfter dafür in emotionaler oder psychischer Gewalt ausdrückt.
Zwar wirkt die Ausstattung eher bescheiden und auch die special effects hätten schon vor 30 Jahren keinen Blumentopf gewonnen, aber das machen die tollen locations locker wieder wett, die so wie hier gezeigt auch gut und gerne in einem alten Hammer Horrorfilm auftauchen könnten. Zu bemängeln wäre ferner das (unter diesen Rahmenbedingungen geradezu obligatorische) hölzerne acting der Jungmimen, doch entschädigt dafür an anderer Stelle die (wiederum sehr natürlich wirkenden) Alten, in ihren teils derart skurilen Rollen, wie man sie so auch unverändert in einem italienischen Giallo aus den 70ern finden könnte. Alles da, von der seherisch begabten blinden Greisin mit Sonnenbrille bis hin zum entstellten "mad doctor" als mysteriöser Unbekannter im Hintergrund, der sich gar selbst als dead man walking bezeichnet. Das mag sich nach Klischee anhören, wirkt aber im Kontext der Serie, die sich zu jedem Zeitpunkt eben sehr ernst nimmt, stimmig und überzeugend.
Überraschend für eine TV-Serie für Kinder ist wohl auch die Tatsache, dass die Besetzung fast überwiegend aus recht betagten Schauspielern besteht, mit Ausnahme der drei Kids natürlich. Obwohl die Handlung sich recht statisch vollzieht (d.h. wenig temporeich) stört dies den Gesamteindruck kaum. Stattdessen kann man sich immer wieder über einige sehr gelungene Einstellungen erfreuen, wie z.B. einer Großaufnahme von Josiah Naismiths versengter Hand auf dem Treppengeländer, ehe dieser schließlich langsam in den Fokus rückt, oder einer geschickt im Hintergrund platzierten Alten, die unauffällig als unheimliche Beobachterin wie in eine Photographie des Dorfes hineingemalt wirkt. Stimmung pur!
Die Dialoge sind stets bedeutungsvoll, mit der Tendenz zur zusätzlichen Mystifizierung der enigmatischen Handlung. Informationsfreies Gelaber ist hier nicht geboten. Für eine Kinderserie überraschten mich einige Konzepte dann aber doch sehr (wegen der Spoilerwirkung hier nur kurze Verweise: dämonische Beschwörung, Bessessenheit / Besitzergreifung, gar Suizid), insbesondere weil diese in bestimmten Zusammenhängen (z.B. der Kontext der Schwangerschaft) dann doch durchaus gewagt sein können. Nun ja, die BBC hatte scheinbar nichts zu beanstanden, da die Serie ungeschnitten ausgestrahlt wurde.
Die gelungenen Cliffhanger am Ende jeder Episode tragen ihren Teil zum sehr durchdachten Spannungsaufbau bei. Leider verleitet das DVD Format dazu, die Folgen am Stück (quasi als Spielfilm) anzusehen. Wer diszipliniert genug ist, der kann ja, wie bei der Erstausstrahlung im TV, nach jeder Episode eine Woche warten, um die Spannung ins Unerträgliche zu steigern.
Fazit: Eine wirklich tolle und ungewöhnliche Serie, die qualitativ und substantiell weit über dem Murks steht, durch den sich andere Vertreter in diesem Bereich heutzutage (leider) immer häufiger auszeichnen. (Noch) kein Klassiker, wie "Children of the Stones", aber nah dran. (7,5 / 10 Punkten)