Da ist man mal der Meinung, das koreanische Kino hätte sich überlebt und es gäbe nichts mehr großartiges zu entdecken, wird in dieser Meinung durch diverse Neuveröffentlichungen auch immer mehr bestärkt, und dann plötzlich kommen in rascher Folge gleich mehrere Hochkaräter über einen hergestürzt, dass man innerlich wieder zu frohlocken beginnt.
Doch nur um eines vorweg zu nehmen: Die ganz große Klasse der Filme von vor zwei bis fünf Jahren wird nach wie vor nicht mehr erreicht, 'lediglich' guter Durchschnitt. Aber selbst dafür ist man mittlerweile wirklich dankbar.
Wide Awake ist im Prinzip nichts anderes als ein klassischer Who-Dunnit-Krimi, der lange Zeit dem Prinzip der amerikanischen Blockbuster-Kriminalfälle folgt, man hat relativ früh einen Verdacht, es werden lange Zeit die verschiedensten falschen Fährten gelegt, bis man als Zuschauer selbst nicht mehr genau blickt, was eigentlich Sache ist, nur um dann im Endeffekt, genau das Resultat bzw. den Täter vorgesetzt zu bekommen, den man schon immer in Verdacht hatte.
Dabei wird genüßlich jeglicher Psycho-Krimi der späten Achtziger und frühen Neunziger Jahre aus den Vereinigten Staaten zelebriert, das fängt bei Knight Moves an, geht über die Hand an der Wiege bis zu ... aber das wäre zu viel verraten.
Die Inszenierung ist natürlich (für südkoreanische Verhältnisse fast schon üblich) über jeden Zweifel erhaben, sehr schön durchkomponiert, perfekte Ausbalancierung jeglichen Settings, gut geschnitten und sehr schöner Score.
Die Darsteller sind soweit ich es erkennen kann guter Durchschnitt und es gibt eigentlich nicht mehr viel zur Inszenierung selbst zu sagen.
Vielleicht noch was zur Handlung gefällig?
Ein kleiner Junge ist während einer Operation trotz Narkose bei vollem Bewußtsein und erlebt jeden Schmerz mit, trägt hiervon einen riesigen Knacks davon. Jahre später tötet er einige ausgewählte Personen.
Es gilt nun zu erahnen, wer der vielen Beteiligten dieser Junge von damals ist, und warum er wem was antut?
Prinzipiell also solide Kost.
ABER:
Die Inszenierung der Wahrnehmung der gesamten Schmerzen während der Operation sind erstaunlich nervenzerfetzend gelungen, wirkt sehr stark und verstörend. Alleine diese Szenen ziehen den Film sehr weit nach oben. Und das Schlimmste (oder Beste, je nachdem wie man dazu steht) ist, dass es später eine weitere, richtig böse, Abwandlung jener Operation gibt, und die hat es erst recht in sich.
Für so einen konventionell aufgebauten kleinen feinen Psycho-Thriller kommt auch noch seine Kompromißlosigkeit in Bezugnahme auf mögliche Opfer zu Gute, sowie der in Südkorea wohl übliche finale Schlußtwist, die der gesamten Handlung zwar nicht eine überraschende Wendung, aber dennoch eine weitere erklärende Note verleiht.
Alles in allem sehr empfehelenswert für Liebhaber guter alter Old-School-Psycho-Krimis, wo man bis zum (manchmal) bitteren Ende mitraten soll.
7 Punkte allemal.