Review

Der Gesamtmensch Lucio Fulci mag erst 1996 die Existenzebene gewechselt haben, Teile seiner selbst starben aber bereits vor 1979, darunter der Abenteuerfilm, der Westernspezialist und der Komödiant Lucio Fulci. Der Gialloexperte dürfte immerhin noch bis 1984 Koma Tisch auf sein letztes großes Aufbäumen in "Murder Rock" warten, bis auch ihm der Gnadenschuss zu Teil wurde. Der Horrorfilme Lucio Fulci wiederrum verstand wie der Phoenix aus der Asche - in manchen Filmen auch eher wie das Huhn aus der Suppe - und ab da war von Cinecittas beliebtesten Medizinschulabbrecher nur noch Dauerfeuer aus Blutschlauch und Gekrösewerfer zu erwarten - nicht, dass Zuschauer nach "Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies" vom Maestro noch irgendwas anderes erwarteten.

Wann ich den Film erstmals in Gänze sah weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich lebhaft an jenen Tag, an dem ich den dazugehörigen Trailer auf Youtube fand: die Kombination aus den blutigen Bildern, dem creepigen Score und der donnernden Stimme Wolfgang Hess, der den Film abpries wie nichts Gutes entlockt mir staunenden Blicke, Übelkeit und ein gemurmeltes "Nein, danke." Aber, so wie es in der Jugend schon mal öfters passiert, die Neugier macht jeden Rüssel länger - gemeint ist hier explizit und einzig meine Nase, ihr Schlingel! - und so schaute ich den Film mutmaßlich irgendwann zwischen 2007 und 2009 erstmalig, wobei ich mal wieder auf einen virtuellen Ausflug in die halbseidenen Ranzgassen des Internets angewiesen war. Ja, liebe Kinder, Schmuddelfilmfan seit war mal sehr viel schwieriger als dieser Tage!

Apropos retro oder heillos veraltet, aber immer noch gerne gesehen: in Anlehnung an den nunmehr aussterbenden Horror alter Tage beginnt auch dieser Film mit einer Erbschaft: ein Herren los umhertreibendes Messieboot mitsamt adipösem Kannibalen als Kapitänsersatz wird in der Küste New Yorks als Erbe für Arztetochter Anne Bowles angeschwemmt. Die weiß sich keinen Reim darauf zu machen, warum ihr Doktorendad ihr den Ranzkahn mitsamt Käpt'n Speckard an Bord zum Big Apple geschickt hat und verbündet sich daher mit dem Journalisten Peter West, um das Geheimnis des seefahrenden Seuchenherdes zu lüften.

Dazu setzen die Beiden mit Hilfe des Weltenbummlerpärchens Brian und Susan die Segel in Richtung Matool, wo Dr. Menard, ein Freund und Kollege von Annes Dad und sein Restpersonal einen aussichtdlosen Kampf gegen eine Seuche führen, die ihre Verschlichenen Augenblicke später aus dem Orkus zurückholt. Während der Bodycount also offscreen in die Höhe schießt und Menards Frau sich langsam den Keks weichsäuft schicken sich die vier Touristen an, anzulegen, das Geheimnis zu lüften und den Tag zu retten und dabei irgendwie zu überleben. Was davon kläglich scheitert ahnt der Genrefreund bereits beim Bestaunen des Blu Ray - Covers. 

Befreit man sich einmal vom Ballast, unnötige Antworten auf die Fragen bekommen zu wollen, warum die Matooler ihre Toten nur etwa Finger tief mit einer handvoll Sand / Erde verscharren, promovierte Virologen infizierte Seemänner in die USA exportieren oder über Jahrhunderte vermoderte Conquistadoren durch das Virus wieder an verwesenem Fleisch zunehmen statt ihren Gräbern als Skelette zu entklappern, dann ist "Woodoo" ein sehr unterhaltsamer Film, der seinen Ruf als "Zombie" - Ripoff zu Unrecht trägt: zum einen fehlt es dem Streifen an eingewobener Sozialkritik, zum anderen steckt die Plage hier noch in den Kinderschuhen. Zu guter Letzt schließt Fulci dann noch den Kreis zum ursprünglichen Voodoomythos, der im vermeidliche Original nur am Rande von Ken Forrees legendärem "No more Room in Hell" - Dialog erwähnt wird. Hier wird zwar auch nicht viel draus gemacht, aber immerhin wird dem Urglauben der betroffenen Inselbewohner Rechnung getragen.

Fulci und Sachetti, das Lennon / McCartney-Äquivalent des Italohorrors hat hier mal wieder alles richtig gemacht, Kameramann Sergio Salvati den Film bildtechnisch veredelt und Fabio Frizzi mal wieder für einen hervorragenden Score gesorgt, der Tropenfieber und Dschungelfäule in jeder Synthnote mitklingen lässt. Für viele - mich eingeschlossen - macht dieses Gesamtpaket "Woodoo" zum Fulci to go. Was so verständlich wie bedauerlich ist, da der Film alles vorherige gnadenlos überschattet, was Fulci geschaffen hat und als Maßstab für alles nachfolgende diente. Wie wir heute wissen entpuppte sich das stellenweise als ziemlicher Eiertanz.

Das ist er also: der Film, der Lucio Fulci (oder besser: Lucio Flutschi?) für den Rest seiner Karriere auf dem frisch bestiegenen Horrorthron gleich festnagelte. Dass der Film Pflichtprogramm im Zombiesubgenre ist, aber auch im allgemeinen Kanon des Horrorkinos sollte dieses Werk hier nicht fehlen. Dank Listenstreichung und Neuveröffentlichungen ist das mittlerweile auch straffrei möglich. Daher kann ich nunmehr auch ungestraft propagieren, mindestens einmal im Leben die Segel gen Matool zu setzen, zumal der moderne Horrormarkt derzeit nicht allzu viel interessantes bietet. Um den Film mal zu zitieren: "Hier gibt es nichts mehr zu tun. Das Schiff kann auslaufen." 

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