Vorsicht Spoiler!
„Cube“ ist zweifellos eine kreative Meisterleistung und ein Film dem man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Der nahezu perfekte Beweis, dass man mit einem geringem Budget und den damit verbundenen geringen Möglichkeiten viel erreichen kann, wenn man nur Ideen hat. Vicenzo Natalis Idee ist recht einfach gehalten, nimmt den späteren „Big Brother“ Boom vorweg und zeigt zaghafte Kritik.
6 verschiedene Menschen wachen auf einmal in einem riesigen Würfel auf. Ein zynischer Nihilist, ein Cop, eine Ärztin, ein Ausbrecherkönig, ein weibliches Mathegenie und ein geistig Behinderter. Sie alle wissen nicht wie und warum sie an diesem Ort gelandet sind und finden sich auch schrittweise zusammen. Doch jeder hat seine Eigenheiten und Stärken, so dass man verzweifelt versucht zusammen aus dem Würfel zu kommen.
Auf den ersten Blick und in den ersten Minuten ist der Film ein schwächenloses Meisterwerk. Gleich zu Anfang wird dem Zuschauer eine blutige Falle präsentiert, die unregelmäßig in jedem Würfel installiert sind. Der riesige Würfel besteht also aus mehreren kleinen Würfeln, die sich zusätzlich noch bewegen. Zuschauer wie Figuren wissen nicht was sie erwartet oder was vorher passierte, denn eine Einleitung gibt es nicht. Eine einfache wie gute Idee um pure Spannung zu erzeugen.
Doch schon bald offenbaren sich die ersten Probleme, denn man hat man kann für höchstens 3 Tage in diesem Würfel ohne Wasser und Essen überleben. So fängt der Film an mit den verschiedenen Charakteren zu spielen und sie auch zu kritisieren. In der Extremsituation sind die Nerven jeder Figur so gespannt, dass Konflikte unausweichlich bevorstehen. Der anfängliche so sympathische Cop, der schon bald der mutmachende Anführer wird, verfällt seinen Aggressionen. Der Zyniker weiß scheinbar etwas über den Würfel und versucht gar nicht um sein Leben zu kämpfen und wird deshalb zum Spielball des Polizisten. Die Ärztin wird hysterisch und verfällt ihren Verschwörungstheorien, die Mathematikerin stößt an ihre Grenzen, der Autist entpuppt sich als Genie und der „Zaunkönig“ tappt in eine fiese Falle.
Hier wird nun ein interessanter Ansatz der Gesellschaftskritik deutlich, der aber leider nicht weiter oder nur ungenügend ausgearbeitet wird. Alle Figuren haben völlig unterschiedliche Lebensauffassungen die erhebliches Konfliktpotential beherbergen, aber leider ungenutzt bleiben. So wird auch die Frage nach einem Beobachter oder die Frage warum dieser Würfel gebaut wurde und was dahintersteckt immer nur angerissen, aber wieder im Keim erstickt. Es ist halt so... Man macht sich nicht die Mühe hier etwas Tiefsinniges zu kreieren. Dankend muss man aber anmerken, dass es sich der Film nicht mit einem Motiv wie „Militär“ oder „Aliens“ begnügt.
Dabei sind die philosophischen Grundideen doch sogar vorhanden. Worth, der Zyniker meint das dort „draußen“ nur Stumpfsinn und Aggression herrschen, während das Mathegenie meint, dass das gerade das Liebenswerte an der Menschheit ist. Weiter klammert sich Quentin, der Cop an der Liebe zu seiner Familie. Alle diese Ansätze werden aber nur anfangs erwähnt, um dann der Suche nach dem Ausgang zum Opfer zu fallen.
Interessant ist aber die Reise der Gruppe durch den Würfel, die mit ein paar härteren Effekten unterstrichen wird. Kameraansichten und verschiedene Farben der Würfelräume vermitteln Klaustrophobie und Angst, die von einem ständigen „Brummen“ begleitet werden.
Das Matheass kommt dem Geheimnis auf die Spur, wie der Kubus funktioniert, während die anderen neue möglichen Fallen entdecken. Während dessen wird die Beziehung der verschiedenen Charaktere immer gespannter. Trotzdem wirft man dem Zuschauer häppchenweise neue Erkenntnisse, der gierig immer mehr wissen will.
Unterbrochen wird diese Reise durch nicht ganz schlüssige Extremsituationen. Quentins Fallenlassen ist genau so überzogen wie das völlig misslungene Ende, als der Film zum unlogischen (Wie hat er den Griff abbekommen?) Gorefestival verkommt. Der Zauber des Films wird dort auf einen Schlag zunichte gemacht.
Fraglich ist auch das Ende. Wieso überlebt der Autist? Weil es geschmacklos wäre einen Autisten zu töten (Sorry, wenn das hart klingt) oder weil der einzigste „gute“ Mensch in dem Film ist? Welchen Sinn hat dann aber der Tod von Leaven und was soll das Licht symbolisieren?
Doch wenn man nicht (wie ich hier) einen tieferen Sinn des Films sucht wird exzellent unterhalten. Faszinierend was man mit einem einzigen Raum erreichen kann, der immer wieder neu ausgeleuchtet wird. Zwangsläufig (geringes Budget) verpflichtete man Nonamedarsteller, so dass es für den Zuschauer nicht ersichtlich ist wer das Abenteuer überleben wird. Mit bekannten Gesichtern hätte das bestimmt nicht so gut funktioniert.
Die Spannung entwickelt sich weniger aus den Fallen, sondern eher aus dem Konflikt zwischen den Figuren. Die frühen, manchmal, undeutbaren Blicke von Quentin lassen einen erahnen, was auf sie zukommt. Überraschend auch immer, wenn wirklich nichts passiert, obwohl man es doch eigentlich erwartet.
Über die Mathematik und die Berechnungen im Film lasse ich mich nicht weiter aus, da es den Rahmen hier sprengen würde. Nur so viel: Ein paar Ungereimtheiten gibt es wohl. So hätte Leaven in der Situation, in der sie scheinbar an ihre Grenzen kommt wohl mit ihrem Wissen locker weiterrechnen können. Aber darunter hätte wohl die Dramaturgie zu leiden gehabt, so sind solche Dinge verzeihbar.
Im Vergleich zur spannenden Inszenierung, der zu einem großen Teil von der Kameraarbeit lebt, die dem Raum immer wieder neue Kniffe hinzufügen kann, sind die Dialoge ein Schwachpunkt des Films. Wird am Anfang noch versucht sich gegenseitig zu erklären, mit was man es hier zu tun hat, verkommen die Gespräche im Film zu lahmen und unattraktiven Einheitsbrei ohne Aussage. Scheinbar gingen hier dem Drehbuchautor die Ideen aus oder er hatte keine Lust mehr.
Großes Lob sollte auch man auch den, mir durch die Bank weg unbekannten, Darstellern aussprechen, die ihre Ängste und Aggressionen intensiv dem Zuschauer näher bringen. Ich möchte keinem das Prädikat schlecht aufdrücken. Eine geschlossen harmonierende Gruppe mit vielen Stärken und kaum Schwächen.
Fazit:
Wenn man keinen tieferen Sinn sucht, wird man hier erstklassig unterhalten. Doch sobald man hier unter die Oberfläche des Films guckt, die interessanten, kritischen Ansätze sieht und zu interpretieren anfangen möchte, wird genau diese Idee leider abgewürgt. Man macht es sich hier zu einfach (Ist halt so) und zerstört damit einiges an Potential des Films. Oberflächlich erstklassig, im Kern aber maximal mittelmäßig. Zu 7 Punkten reicht es daher gerade so...