Bereits mit „Eragon“ durch die Lüfte geeiert? Sich auf einem Eisbärrücken nach dem „Goldenen Kompass“ orientiert? Und „Narnia“ auch schon zur Genüge bereist?
Kein Problem, es gibt Neues aus dem flüchtigen Reich „zwischen zwei Potters“.
„Wintersonnenwende“ (hier hat die Übersetzung einiges gutgemacht, der Originaltitel „The dark is rising“ klingt schon ziemlich halbgar) heißt der Vertreter, und er wirft sich todesmutig ohne die Wunderwaffe „sprechende Tiere“ ins magische Gefecht.
Alles halt eine Nummer kleiner, so scheint hier die Parole zu lauten. Zwar geht es auch mal wieder um die Rettung der Welt, darunter macht es auch diese Adaption des Jugend-Fantasybuchs von Susan Cooper nicht, aber irgendwie ist das ja auch Alltag, herrje, die Welt steht nun einmal ständig am Abgrund, damit hat der moderne Mensch leben gelernt.
So eben auch unser Held Will Stanton, dessen Weihnachtsfest im Kreise der Familie (man ist gemeinsam nach England gezogen) schon mal nicht komplett begangen werden kann, da der älteste Bruder im Auftrag der Navy zeitgleich in Achse-des-Bösen-Gewässern kreuzt, „um die freie Welt zu verteidigen“. Und wer erst einmal derlei weltliche Bedrohungen in seinen Alltag zu integrieren gelernt hat, der wird auch nicht sonderlich aus den Latschen gehauen, wenn ein Seniorenverein von der nahenden Finsternis predigt und einen pünktlich am vierzehnten Geburtstag zum „Sucher der Sechs Zeichen“ ernennt. Klingt doch ganz interessant, kann man machen. Ist jedoch nicht halb so dramatisch, wie ein Mädchen ansprechen zu können, ohne ins Stocken zu geraten. Das ist nämlich ein Problem ganz anderen Kalibers.
Und dies ist der Ton, der den Takt für den weiteren Handlungsverlauf vorgibt: Wie ein frisch vor sich hin pubertierender Jugendlicher will der Film möglichst viele spannende Dinge ausprobieren, sich aber hier und dort nicht festlegen und schon gar nicht lange vollgeschwafelt werden. Schnitt und Kameraarbeit legen ein hohes Tempo vor, wenn Will sich in episodenhaften Zeitreiseeinschüben auf die Suche nach den geheimnisvollen Zeichen des Lichts begibt, wobei moderate Gruseleffekte und Actioneinlagen dabei jederzeit Vorzug vor Erklärungen oder tieferen Einblicken in die Zusammenhänge erhalten. Aber ähnlich wie die Hauptfigur interessiert es einen als Zuschauer auch nicht wirklich, wie es da genau um was bestellt ist, ahnt man doch, dass es nur auf genreübliche Standards hinauslaufen würde. Sicher, die Aussparungen sind stellenweise gigantisch (gerade die Episode mit dem großen Bruder ist eine einzige Lücke), aber der Grundtenor des Ganzen ist einfach zu dynamisch und aufgekratzt, als dass man sich da lange in Kritik ergehen möchte. Dies hier ist nicht die Champions League der Fantasy, aber das weiß der Film schon selbst und beschränkt sich dabei jederzeit angenehm auf seine Möglichkeiten.
Da wirkt es geradezu wie ein Störfaktor, wenn in einer Szene beim kurzen Blick in die Zukunft auch New York von der allumfassenden Dunkelheit verschluckt wird und die arme Freiheitsstatue zum achwievielten Mal (sie hat aufgehört, zu zählen) zum Zwecke apokalyptischer Verbildlichung den Kopf herhalten muss. Dieser Moment, ein in seiner Emmerich’schen Katastrophenbeliebigkeit viel zu deutlich auszumachendes Zugeständnis ans US-Publikum, wirft einen tatsächlich für einen Moment aus dem heimeligen Gewürzkuchen-Kosmos heraus, den der Film bis hierhin geschaffen hat. Es bleibt der einzige transatlantische Ausrutscher. Da lernt man „Wintersonnenwende“, trotz vieler Standards und Vorhersehbarkeiten, doch noch ein wenig schätzen. Und das ist schon eine Menge, so zwischen zwei Potters.