Die Kategorisierung des Kurzfilms "Lost Face" von Regisseur Rob Fitz fällt nicht leicht. Die Bezeichnung Horrordrama ist dabei gleichermaßen so hinreichend und nichtssagend wie die Umschreibung mit dem Begriff Splatter-Western. Die Handlung beschreibt den grausamen Konflikt zwischen weißen Trappern und einem Stamm von Indianern, wie er sich irgendwann in der verschneiten Wildnis Nordamerikas zugetragen haben mag. Der Zuschauer wird zunächst Zeuge eines blutigen Massakers der Trapper an den Indianern, bis diese im Anschluß an das Gemetzel in die Hände der übrigen Stammesmitglieder fallen. Aufgrund der begangenen Untat an den Eingeborenen und des damit verbundenen, absehbar grausigen Schicksals der Pelzjäger schafft es "Lost Face", dass sich bereits nach wenigen Minuten eine enorm angespannte Erwartungshaltung beim Zuschauer einstellt. Womit Rob Fitz unter Beweis stellt, dass die Intensität der Wirkung eines Films einmal mehr nicht von einem fetten Budget abhängt.
Trotz der schlichten (und sichtlich selbstgenähten) Kostüme der Darsteller und der auch sonst ziemlich spartanischen Ausstattung baut "Lost Face" eine unglaublich realistische Atmosphäre auf. Anders als bei so manchem durchgestylten Folterschocker neueren Datums wirken die Darsteller hier wie Menschen aus Fleisch und Blut. Dazu gesellt sich die unbequeme Gewissheit, dass sich ein Szenario wie hier dargestellt in der realhistorischen Vergangenheit Nordamerikas unzählige Male abgespielt haben muss. Nichts gegen "Saw", "Hostel" und Konsorten, aber die ekelerregende Wirklichkeit, was Menschen einander schon angetan haben, das hat doch noch einmal eine ganz andere Qualität, als die sichere Illusion einer gefakten Inszenierung. Ein trauriges Erbe der Menschheitsgeschichte und auch heute leider immer noch furchtbare Realität.
Die Rache der Indianer fällt dann auch nicht weniger drastisch und abstoßend aus, als die Barbarei der Weißen zuvor und in kalten, pragmatischen Bildern (passend zur gefrorenen Naturkulisse) werden wenig zimperlich Gliedmaßen abgetrennt und Körper massakriert. Um dem Schicksal zu Tode gefoltert zu werden zu entgehen, greift einer der Trapper zu einem verzweifelten Trick, indem er dem Häuptling der Indianer eine geheime "Medizin" anbietet, welche die Haut angeblich hart wie Eisen werden lässt. Die letzte Szene ist dann an zynischer Ironie kaum noch zu überbieten...
"Lost Face" hat mit einem konventionellen Splatterfilm nichts zu tun, weil die Handlung mit einer galligen Moral versehen ist und nicht bloß die genreüblichen, selbstzweckhaften Schauwerte bietet. Dieser Film hat eine Botschaft und einen Anspruch und spricht nicht bloß den Voyeurismus eines sicherheitsverwöhnten Publikums an. 8,5 / 10 Punkten sind hier absolut angebracht.
PS:
Rob Fitz hat übrigens unlängst auch sein erstes full lenght feature fertig gestellt, an dem er sechs Jahre lang gearbeitet hat und das den vielsprechenden Titel "God of Vampires" trägt. Kann man nur auf eine baldige DVD Veröffentlichung hoffen...