Review

Schon die allererste Szene überschreitet Grenzen: Eine Gruppe Medizinstudierender spielt die berühmte Orgasmus-Szene aus „Harry und Sally“ nach – mit drei Leichen in der Pathologie, denen sie dafür die Münder bewegen. Ekelhaft und entwürdigend – das ist ziemlich genau das, was der finstere Thriller „Pathology“ im weiteren Verlauf zu bieten hat. Die Story um eine so dekadente wie zynische Gruppe angehender Medizinerinnen und Mediziner, die ein perverses Spiel darum spielen, wer von ihnen am besten darin ist, mysteriöse Todesfälle zu diagnostizieren (wofür sie jeweils einen anderen Menschen umbringen), ist reichlich harter Tobak und bietet sowohl inhaltlich als auch visuell so manchen Tabubruch.

Vor allem für Gore-Fans dürfte „Pathology“, dessen Drehbuch von den beiden „Crank“-Machern stammt, einiges zu entdecken haben: Mit brachial überzeugenden Spezialeffekten werden hier reihenweise Leichen obduziert, zersägt, ausgeweidet, zerstückelt. Die Beiläufigkeit, mit der dieser Obduktions-Alltag in der Pathologie vor allem am Anfang eingeflochten wird, verleiht dem Setting lange Zeit eine beklemmend authentische Atmosphäre. Dass die medizinischen Koryphäen dieser Elite-Uni vorrangig aus reichem Elternhause kommen, macht die Story zu einem spannenden Gedankenspiel über Privilegien, Überheblichkeit und schließlich nackten Zynismus. Die Grenze zur Menschenverachtung wird schnell übersprungen, und neben der kriminalistischen Geschichte, die sich durch die Mordserien der eingeschworenen Gruppe entwickelt, hält der Film lange durch seine düsteren Einblicke in Hedonismus und Abgehobenheit elitärer Gruppen bei Laune.

Dieses packende inhaltliche Sujet intensiviert er durch seine gelungene Inszenierung. Zwischen dunkler Unterkühltheit, hervorgerufen durch die klinisch-sterilen Settings, und diese kontrastierender fiebriger Spannung, verstärkt durch schnelle, mit stylisher Musik unterlegte Schnittsequenzen, findet er einen packenden Rhythmus, der mit immer neuen Tabubrüchen und bösen Entwicklungen unterhält. Sex in der Leichenhalle direkt neben sezierten Menschen (wobei die Sexszenen mit fortlaufender Handlung immer freizügiger werden und dadurch die fortschreitende Entgrenzung des Gezeigten gekonnt untermauern), zynische Witze über die Toten, schließlich ausgeklügelte und sadistische Morde – die Steigerung dessen, was hier gezeigt wird, erfolgt clever und durchdacht und sorgt für einen lange Zeit anhaltenden Spannungsbogen.

Erst gegen Ende flacht dieser leider etwas ab, weil der Film dann doch in allzu althergebrachte Motive zurückverfällt. Dass etwa Ted, der vielversprechende Neue in der Runde, der sich in diesen abartigen Strudel aus Drogen, perversem Sex und Mord hineinziehen lässt und durchaus seine Faszination daran findet, am Ende plötzlich viel zu eindeutig als der Gute dargestellt wird, der sich dem dämonischen Anführer Jake zu stellen hat, nimmt der Story viel von ihrer subversiv-provokanten Intensität. Auch gibt es mit der Zeit immer mehr Logiklücken – dass etwa die Gruppe ihr perverses Treiben doch allzu unbehelligt in einem alten Trakt der Uni durchführen kann, in den sich sonst niemand verirrt – und die spektakulärste Szene des Films (eine unvorhergesehene Explosion) wird durch ein uraltes Horror- und Thriller-Klischee – der Böse entkommt dem Inferno mit leichten Verbrennungen, obwohl er quasi im Zentrum der Explosion stand – ziemlich ramponiert.

Trotz solcherlei inhaltlicher Schwächen kann „Pathology“ als grenzüberschreitender, finsterer Trip in üble menschliche Abgründe größtenteils unterhalten. Sein unterkühltes Setting, die wirklich harten Gore-Effekte und die fiebrige Mischung aus Perversion, Zynismus, Sex und Gewalt machen ihn zu einem spannenden Reißer, dessen Figuren nicht so ambivalent werden, wie sie könnten, und dessen Dialoge oft ein wenig zu flach bleiben, der aber dank mutig-böser Ideen eine packende Studie über Menschenverachtung und elitäre Überheblichkeit bietet. Wer es aushält, findet hier einen wirklich düsteren kleinen Thriller.

Details
Ähnliche Filme