Review

Achtung, Extremstspoiler!!!

Puh, nicht gerade leicht, über diesen Film ein Review zuschreiben. Nicht nur wegen seiner Brisanz, sondern auch deswegen, weil ich sehr hin und hergerissen bin, was meine Meinung über "Engel + Joe" angeht. Die Grundidee, zwei Jugendliche aufeinander treffen zu lassen, von denen der eine obdachloser Punk und der bzw. die andere einfach nur von zu Hause ausgerissen ist, da sie Stress mit ihren Eltern hat, ist gut und interessant. Die Umsetzung jedoch ist sehr zwieträchtig. Zum einen wäre da die gute Kameraführung und der gute Schnitt. Aber das haben die deutschen Filme in letzter Zeit alle, selbst Romanzen wie "Mondscheintarif". Optisch weiß "Engel + Joe" also schon mal zu überzeugen. Die Schauspieler sind auch alle ansprechend, kennt man Robert Stadlober doch noch aus dem Hit "Crazy". Man merkt ihm richtig an, wie er leidet bzw. sich freut. Da wurde also gutes Casting geleistet. Große Schwächen offenbaren sich jedoch in der Glaubwürdigkeit des Ganzen. Was zu Anfang noch ganz nachvollziehbar und gefühlvoll beginnt, wird nach und nach unrealistischer. Man sagt zwar immer, Liebe sei das Schönste und Größte auf der Welt, dem mag auch so sein, aber diese Redewendung wird in "Engel + Joe" geradezu bis zum Exzess ausgeführt. Da betrügt man sich gegenseitig, Joe wird von einem anderen geschwängert, als sie das Engel beichtet, bietet der sich sofort als Vater an, ohne sich auch nur eine Sekunde darüber aufzuregen. Joe ist also schwanger, das ist man bekanntlich 9 Monate lang, und kurz bevor Joe das Kind bekommt, fällt den beiden ein, dass sie ihr Baby ja nicht auf der Straße großziehen können und sich Engel also einen Job suchen muss. Diese Suche scheitert und er überfällt einen Laden. An dem Tag, an dem Joe, die vom Überfall nichts weiß, aus dem Krankenhaus entlassen wird, wird Engel gefasst und ins Gefängnis gesteckt. Und Joe hat natürlich nichts anderes zu tun, als mit dem Jungen, der sie geschwängert hat und mit dem sie eigentlich nichts mehr zu tun haben will, nicht nur Weihnachten zu feiern, sondern auch mit ihm zusammen zu sein. Engel wird an Heilig Abend überraschender Weise Freigang gewährt und bemerkt, dass ja der andere bei Joe ist. Aber anscheinend macht ihm das nichts aus und sie kommen wieder zusammen. Prompt gehen sie zusammen auf eine Heilig Abend Party, auf der sie ihr Kind einfach bei den Punks lassen. Ich habe absolut nichts gegen Punks, aber ein paar Monate altes Baby soll man nicht einfach bei Leuten lassen, die gerade dabei sind, Drogen zu nehmen. Na ja, das sind für mich Dinge, die mir einfach nicht realistisch erscheinen. Entweder habe ich einen etwas anderen Begriff von Liebe als Engel und Joe (bzw. die Regisseurin), oder es ist einfach nur unrealistisch. Ich glaube aber jedoch, dass letzteres der Fall ist, weil die obengenannten Punkte einfach ZU unrealistisch sind.
Der Film ist trotzdem irgendwie mitreißend und deprimierend, vielleicht auch gut gewollt, aber so eine richtige Dramatik mag bei Anbetracht der Infragestellung der Realität einfach nicht aufkommen. Der Film ist zu kurz und zu realitätsfern geraten, um Dramatik zu erzeugen. Die Ansätze sind gut, die Grundidee auch, aber das reicht eben nicht, einen guten und realistischen Film zu drehen. Er ist nett anzusehen, keine Frage, aber wenn man nur ein bisschen das Hirn einschaltet, macht es schon nicht mehr so viel Spaß und leichte Aggressionen machen sich bemerkbar. 5/10 Punkte

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