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Mit Zack Snyders Romero-Remake "Dawn of the Dead" (2004) erlebte die Horrorfilmlandschaft eine zweite große Zombie-Welle, nachdem die Untoten in den 90er Jahren trotz "Night of the Living Dead" (1990), "Braindead" (1992), "Dellamorte Dellamore" (1994) oder "I, Zombie: A Chronicle of Pain" (1998) eher ein Nischendasein fristeten. Im Zuge des großen Erfolgs brachte Romero dann mit "Land of the Dead" (2005) die abschließende Erweiterung seiner berühmten Trilogie zur Tetralogie heraus, welche - wie teilweise noch sein nachgeschobenes Duo "Diary of the Dead" (2007) und "Survival of the Dead" (2009) - die satirischen & kritischen Aspekte seiner früheren Zombiefilme weiterhin ernst nahm, wohingegen Snyders modernisierte Neuauflage des modernen Zombiefilms sich eher darauf konzentrierte, mehr dramatische Einzelschicksale einzupflechten; kaum mehr Gesellschaftssatire, sondern ins Spielfilmformat gegossene Soap Opera: mit dem gereiften Herren, der auf seine alten Tage nochmals Damenschuhe anprobieren will; mit der engagierten, bodenständigen Ärztin, die über sich hinauswachsen muss; mit dem naiven Teenie-Mädel, das sich unnötig dank impulsiver Gefühlsausbrüche in Gefahr begibt; mit dem arroganten Schnösel, der sich in Egoismus übt; mit dem aufopferungs- & liebevollen Loser; mit dem farbigen Gangsterklischee und seinem farbigen Gegenpart, dem anständig-herzensgut-gäubigen Christen, der dennoch der starke Mann der Tat ist... Mit Romeros richtungsweisendem Original hatte Snyders überforderte, aber zumindest spannende und anständig inszenierte Neuauflage weniger zu tun als vielmehr mit der späteren Zombie-Seifenoper "The Walking Dead" (2010), die - auf die 2003 gestartete Comic-Serie zurückgehend - später noch mit dem Spin-Off "Fear the Walking Dead" (2015) angereichert worden ist.
Schon Paul W. S. Anderson hatte im Vorjahr mit der Videospiel-Verfilmung "Resident Evil" (2002) den Zombies neue Popularität verschaffen können und ihnen zugleich ihren subversiven Touch geraubt. Und so wie schon während der ersten Welle des Zombiefilms nur wenige Werke neben Romeros Zombiefilmen - wie Graus "Non si deve profanare il sonno dei morti" (1974), Clarks "Dead of Night" (1974) oder Avatis "Zeder" (1983) - mehr sein wollten als reine fesselnde Genrefilme, überwogen auch in der zweiten Welle die vordergründigeren Schocker die ambitionierteren Beiträge wie z.B. Romeros Weiterführungen, Danny Boyles "28 Days Later" (2002) oder jüngst McCarthys "The Girl With all the Gifts" (2016).

"Day of the Dead" ist da keine Ausnahme, wenngleich Titel und Crew Grund zur Hoffnung geben mögen: Genre-Routinier Steve Miner, der neben den besseren Slasher-Sequels "Friday the 13th Part 2" (1981), "Friday the 13th Part III" (1982) und "Halloween H20: 20 Years Later" (1998) noch die eigenständigen kleinen Klassiker "House" (1986), "Warlock" (1989) und "Lake Placid" (1999) kreiert hatte (und derzeit mit "The Exorcism at Lincoln High " (2018?) zum Genre zurückzukehren plant), ist zwar kein zweiter Romero, aber doch ein versierter, ambitionierter Handwerker in seinem Sektor, der allerdings auf die Qualität seiner Drehbücher angewiesen ist.
Und gleichwohl "Day of the Dead" als Remake eines Romero-Klassikers daherkommt - und freilich vor allem von Taurus, der Produktionsfirma des vollends missratenen "Day of the Dead 2: Contagium" (2005), als weiterer zombie flick koproduziert worden ist -, ist das Drehbuch des "Final Destination"-Autors Jeffrey Reddick kaum mehr als eine uninspirierte Melange potenziell interessanter Ansätze.
Das unterirdische Bunker-System, die domestizierbaren und mit Resterinnerungen versehenen Zombies, der Versuch, die Infektion zu stoppen, der Konflikt zwischen Wissenschaftlern und Militärs - alles findet sich hier wieder und wird an die kleinen individuellen Dramen gepappt, die Snyder im Subgenre salonfähig gemacht hat (und auf dessen "Dawn of the Dead" dieser Streifen mit der Ving Rhames-Besetzung schielt). Weniger das Ehepaar mit dem infizierten Sohn - das noch direkt aus Romeros Ur-Klassiker "Night of the Living Dead" (1968) stammen könnte -, sondern die Hauptfiguren, die einander angiftenden Geschwister mit der sterbenden, bald zombifizierten Mutter, reduzieren die große Apokalypse des Zombiefilms auf ein kleines Familiendrama der Annäherungen & Überwindungen, der Verbrüderung der Geschwister nach dem Tod des letzten Elternteiles. (Schwächen, die sich auch in Romeros späten Beiträgen vermehrt finden ließen.)
Während der zum Zombie gewordene Vegetarier, der hier auch als Untoter kein Fleisch anrührt und seiner früheren Freundin weiterhin ergeben ist, den domestizierten Bub aus dem 85er Original variiert (und vielleicht auch ein wenig an "Return of the Living Dead III" (1993) denken lässt), orientieren sich andere Handlungsversatzstücke an ganz anderen Klassikern. Das gilt nicht bloß für die rennenden & springenden, mit Waffen hantierenden Zombies, die irgendwo zwischen Lenzis "Incubo sulla città contaminata" (1980) und den Zombies Boyles und Snyders anzusiedeln sind (und ganz inkonsequent manchmal an den Decken laufen können und manchmal an die Gesetze der Schwerkraft gebunden sind), sondern auch für den Konflikt zwischen Wissenschaft und Militär, der sich nun weniger am Original, sondern vielmehr am "Resident Evil"-Franchise (oder den "Return of the Living Dead"-Filmen) orientiert.

"Day of the Dead" handelt nicht mehr von rational agierenden Wissenschaftlern, die nach einer Lösung gegen die Seuche suchen und in der sich immer weiter zuspitzenden Krisensituation zunehmend mit den aggressiver und anarchischer werdenden Militärs aneinandergeraten, welche immer weniger Interesse an ihrem eigentlichen Auftrag zeigen (was schon in Romeros drittem Zombiefilm so manche Plattheiten mit sich brachte), sondern von Soldaten, welche die Machenschaften einer obskuren Wissenschaft auszubaden haben. Denn der Zombievirus geht hier in Leadville um, nachdem Wissenschaftler im Auftrag der Armee an einem biologischen Kampfstoff gearbeitet hatten.
Die Grundsituation hat sich somit völlig ins Gegenteil gewendet: Die Ziele des Militärs sind hier ausgesprochen unehrenhaft, dafür sind jedoch die einzelnen Soldaten - wenn auch ähnlich inkompetent - wesentlich menschlicher und weit weniger viehisch als bei Romero: Die Hauptfiguren unter den Militärs setzen sich gar zusammen aus einer seltsam pazifistischen Soldatin, die sogar ihre eigene Waffe stets ungeladen lässt, und einem schüchternen Kollegen, der sich konsequent weigert, Fleisch zu essen. Hingegen sind nun die Wissenschaftler durchweg skrupellose, amoralische Unmenschen, deren Eigennützigkeit und deren Forschungstrieb keinerlei Grenzen zu kennen scheinen.
Im Jahr, in welchem Oliver Stone zum Ende der auslaufenden, letzten Amtszeit George W. Bushs seinen "W." (2008) herausbrachte, der den gesamten Irakkrieg als einzigen Skandal fürs Kino aufbereitete, und nach den skandalösen Enthüllungen der Folterpraktiken von Armeeangehörigen wie Charles Graner, Lynndie England oder Sabrina Harman in den vorherigen Jahren 2004-2006 liefert "Day of the Dead" das Bild der mehr oder weniger redlichen, im Falle der Hauptfiguren geradezu vorbildlich friedfertigen Soldaten, während das Unheil von anonymen, ranghohen Drahtziehern und gefühlskalten Wissenschaftlern und unmenschlichen Eierköpfen ausgeht. Zwischen dem Eindruck einer völkerrechtswidrig agierenden Regierung einerseits und den Skandalbildern folternder US-Soldaten andererseits - welche die Neigung provozierten, die öffentliche Debatte allzu personenbezogen zu führen -, bemüht sich "Day of the Dead" um das Bild des einfachen Soldaten, der in mörderischer Selbstbehauptung zwischen skrupelloser Elite und dämonisierten Feinden ein gesunder, humaner, guter Mensch bleibt (mit welchem sich ein junges, eventuell auch waffen- & kampfbegeistertes Publikum identifizieren kann). Denn auch die Untoten - die bei Romero zunehmend zur bedauernswerten Gruppe der Ausgeschlossenen & Unterdrückten gerieten - bilden hier kaum mehr als eine große Masse vernichtenswerter Gegner. Und so ist Miners bislang schwächster Horrorfilm eine undurchdachte, auf jugendliche Zielgruppen ausgerichtete, schwach getrickste Show von Action- & Splatterszenen: Mit dem Feindbild einer zweifelhaften, bedrohlichen Intelligentzija und einer guten Gewissens vernichtenswerten Masse unmenschlicher Gegner ausgestattet; maßgeschneidert für ein Publikum, das sich in der gesunden Mitte wähnt und seine sensationsgierige Schaulust am Leiden anderer befriedigt wissen will, ohne dabei mit den ganz eigenen Abgründen konfrontiert zu werden.
Ein eskapistischer, naiver, Party-Funsplatter also, der dank Miner - trotz vieler durchschaubarer CGI-Einsätze - zu einem noch relativ kompetent inszenierten B-Movie geworden ist, welches kurzweilige, furiose Unterhaltung liefert, aber wahrlich nichts halten kann, was Romeros ...of the Dead-Zyklus stets versprach.
5,5/10

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