Wenn die Sonne der Kultur schief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.
Karl Kraus
Rezeptur für einen erfolgreichen deutschen Kinofilm
Man nehme:
Die altbackene Liebesgeschichte vom arroganten Allesvögler, der sich für eine kleine graue Maus, die er am Anfang natürlich überhaupt nicht leiden kann, zum netten Kerl entwickelt. Sie kann ihn selbstverständlich auch erst gar nicht ab, merkt aber schnell, daß er doch so ganz anders als all die anderen ist, sodaß sie am Ende gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten können.
Einen absolut dämlichen Titel, der notdürftig als Dialog ins Drehbuch integriert wird (siehe nächster Punkt).
Schlechte Dialoge, bei denen sich einem die Fußnägel hochrollen. Dafür schaut man sich auf 3 Promille abwechselnd Tarantino/Smith & Screwballkomödien an, um dann im Rausch zu entscheiden, daß man es wesentlich besser hinbekommen könnte, wenn man beides miteinander vermischt. Das Drehbuch muß dabei fertig sein, bevor man auf 2 Promille runter ist.
Eine Dramaturgie fernab jeder Realität, warum muß die Handlung auch nachvollziehbar sein – Hauptsache, alle haben Spaß.
Einen abgewrackten Ex-Mantafahrer, der blöd (oder größenwahnsinnig?) genug ist, zu glauben, jeder könne Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in einer Person in sich vereinen, ohne dass die Qualität des Filmes darunter leiden würde.
Sämtliche Kinder des Regisseurs, Produzenten, Drehbuchautoren und Hauptdarstellers für Nebenrollen; je mehr sie nuscheln und keinen Satz geradeaus sprechen können, desto besser ist das für den "Oh, wie süüüüüß"-Faktor.
Darsteller, die in keiner Daily Soap eine Rolle kriegen würden, weil ihnen jegliches Talent und Gefühl für Timing abgeht. Kann man diese nicht bekommen, nimmt man „richtige“ Schauspieler und gibt ihnen die Anweisung, ihren Text so lustlos und hölzern wie möglich runterzurasseln. Nie mehr als ein Take und das Versprechen, daß bald Mittagspause ist, sollte dafür eine gute Motivation sein.
Cameoauftritte von C-Promis und Has Beens; damit jeder irgendwie mal im Kino hochschnellen kann, um mit ausgestrecktem Finger in Richtung Leinwand zu brüllen: „Den kenn ich doch! Das ist doch die/der aus dem Dings mit der Dings!“
Vergewaltigung deutschen Kulturgutes durch hippe Neuinterpretation von Kindern; vorzugsweise Goethe, Heine oder Schiller.
Einen Witz als Abschlusspointe, der so alt ist, daß Opa dafür schon an der Front aus Versehen durch Freundfeuer bestraft wurde. Scheißegal, solange es in Cinemascope erzählt wird, ist der Inhalt doch sowieso nebensächlich.
2000 Flaschen Jack Daniels (oder wahlweise anderen harten Stoff), um die Sache für alle Beteiligten erträglich zu machen.
Zubereitung:
Das ganze wird in einer Schüssel zu einem schleimigen Brei verrührt, und anschleißend für 30 Minuten bei 200 Grad im vorgeheizten Kitschofen gebacken.
Das Ergebnis garniert man dann mit den Mausetitten von Nora Tschirner – das Auge ißt ja schließlich mit.
Man erhält eine rohe Masse, die wie Scheiße aussieht, wie Scheiße riecht und wie Scheiße schmeckt, aber anstatt das ganze unter ständigem Rühren in den Ausguß zu kippen, verkauft man es für viel Geld an Warner; die haben schon lange rausgefunden, daß das Publikum alles schluckt, sofern es gut vermarktet wird.
Dabei hilft oft ein kleiner Skandal; so kann der Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Hauptdarsteller z.B. (rein hypothetisch natürlich) beleidigt aus der Filmakademie austreten, wenn sein Machwerk (zurecht) nicht für den deutschen Filmpreis nominiert wird.
Das sorgt für Schlagzeilen und mindestens eine Million Zuschauer mehr.
Und wenn der Kinovorführer dann sagt: „Heute gibt es Scheiße mit Erdbeeren.“, brüllt der ganze Saal geschlossen: „Iiiih, Erdbeeren!“
Et voilà – Champagner! So feiert man den Untergang des Abendlandes.
Die GALA-Wertung:
FLIRTCHANCEN: 5 von 5 Sektgläsern - aus irgendeinem seltsamen Grund ein echter Dosenöffner
CATERING: Das klassische Popcorn mit Loch in der Tüte wirkt Wunder und schmeckt der Begleitung; siehe Flirtchancen
OOPS...: Zwischendurch immer wieder Zeit gefunden, Hans Albers und Heinz Rühmann zu vermissen