Review

Nach seinem Hollywoodausflug „Hostage“ kehrte Florent Emilio Siri nach Frankreich zurück, um dort „Intimate Enemies“ zu drehen.
Was dem Amerikaner sein Vietnam, das ist dem Franzosen sein Algerien: Der sowohl vom Verlauf als auch von der Popularität her unbeliebte Krieg, der Krieg, der viel Kritik nach sich zog. Ein paar einführende Texttafeln geben kurze Backgroundinfos zum 1954 begonnenen Algerienkrieg, in dem die Franzosen gegen die algerische FLN ins Feld zogen. „Intimate Enemies“ ist 1959 angesiedelt, zu einer Zeit also, als der Krieg bereits in vollem Gange war und das zeigt bereits das Eingangsgefecht, bei dem französische Truppenteile versehentlich aufeinander schießen anstatt auf Feinde.
Leutnant Terrien (Benoit Magimel) wird der Einheit frisch zugeteilt, seine rechte Hand ist der erfahrene Sergeant Dougnac (Albert Dupontel). Terrien hat noch Ideale, die zu behalten ihm jedoch schon bald schwer fällt...

Ähnlich wie Oliver Stones „Platoon“ versteht sich auch „Intimate Enemies“ als Kriegsbericht, setzt also weniger auf eine stringente Handlung. Die Einheit erhält zwar zwischendrin den Auftrag einen besonders wichtigen Rebellenführer zu stellen, doch die Angelegenheit wird dann im Endeffekt dann absolut nebensächlich aufgelöst, was die Sinnlosigkeit des gesamten Algerien-Unterfangens widerspiegelt: Keiner hat einen rechten Plan, was wie zu tun ist, aber Hauptsache man tut etwas für Frankreich und gegen den algerischen Widerstand.
Die Kritik ist dann auch mehr zwischen den Zeilen, aber gerade dieser Verzicht auf den erhobenen Zeigefinger macht „Intimate Enemies“ direkt sympathisch. Mitleidlose, lediglich in Zahlen rechnende Vorgesetzte, Folter von Zivilisten, Exekutionen von Gefangenen – all das kommt am Rande immer wieder vor und hinterlässt bleibende Eindrücke, aber es wird dem Zuschauer nicht mit aller Gewalt um die Ohren gehauen, womit „Intimate Enemies“ nur zeigt, dass er sein Publikum für mündig hält.
Es fällt der Verzicht auf platte Feindbilder auf, denn „Intimate Enemies“ zeigt, dass keine Seite wirklich besser als die andere ist. Es wird hinterfragt, ob der Kampf der FLN nur berechtigte Rebellion oder ungerechtfertigter Aufstand ist, doch die Antwort überlässt „Intimate Enemies“ dem Zuschauer. Für ihren Freiheitskampf gehen die FLN-Leute nämlich über Leichen, schlachten ganze Dörfer ab, doch bald verhalten die Franzosen nicht besser – eine weiße Weste hat hier niemand.

An der Figur eines algerischen Dorfjungen, der im Verlauf der Handlung mehrfach Sympathien und Seiten wechselt, spielt „Intimate Enemies“ dann die Haltung der Zivilbevölkerung durch, die nicht weiß, wem sie sich nun zuwenden soll, da sie die Grausamkeit beider Seiten erlebt. Auch die algerischen Mitglieder der Einheit, zum Teil sogar ehemalige FLN-Mitglieder, sind auf der Suche nach Identität zerrissen, drohen zu Verrätern zu werden – oder sind durch eigene Erfahrungen so gezeichnet, dass sie FLN-Mitgliedern noch weniger Gnade gönnen als die Offiziere es tun.
Auf der anderen Seite verquickt „Intimate Enemies“ ebenjene Gedankenspiele und Antikriegsbotschaften mit wirklich famos aussehenden Gefechtsszenen, ähnlich wie z.B. „Black Hawk Down“. Die Action sieht wirklich fantastisch aus, gerade die Megaexplosion bei dem Napalmangriff ist ein Schauwert par excellence. Doch wie bei „Black Hawk Down“ schmälert dies die Message nicht, im Spannungsfeld zwischen Action und Message bleibt „Intimate Enemies“ sich treu, trennt unterhaltsame Inszenierung von realem Gräuel, vor allem wenn die Folgen des Kampfgeschehens gezeigt werden. Ebenfalls überraschend durchästhetisiert sind die Landschaftsaufnahmen, die Florent Emilio Siri dem Zuschauer bietet, oft sind die Bilder so durchkomponiert, dass man sie sich fast an die Wand hängen möchte.

Nur gegen Ende tut sich der Film dann etwas schwer, denn es fällt „Intimate Enemies“ nicht so ganz einfach zum Abschluss zu kommen. Die Geschichte zerfasert etwas, das Abdriften einiger Hauptfiguren in psychische Probleme wird nebenher abgehandelt und das überraschende Finish stellt den Zuschauer vor vollendete Tatsachen, ehe in ein finaler Off-Kommentar in den Abspann überleitet. Rein handwerklich ist der Film hier immer noch famos, doch als finale Klimax hätte man sich vielleicht etwas mehr gewünscht.
Besonders stark ist in dem Geschehen dann das Spiel von Albert Dupontel, der als altgedienter Soldat immer wieder den coolen Typen raushängen lässt, doch diese Coolness kann jederzeit in (selbst)mörderisch waghalsige Aktionen münden. Benoit Magimel ist ebenfalls recht gut, das ganze Ensemble eigentlich, da es auch die Ambivalenzen der Figuren gut zu porträtieren weiß. So gibt es z.B. einen Geheimdienstler, der Gefangene foltert und Terrien für seine Ideale kritisiert, sich aber als einziger Vorgesetzter für Rettungsaktionen und Unterstützung für die Truppe einsetzt.

Mit „Intimate Enemies“ kann Florent Emilio Siri sowohl „The Nest“ als auch „Hostage“ noch toppen: Seine faszinierende Mischung aus famoser Actioninszenierung und ambitionierter Botschaft ist perfekt inszeniert, unheimlich spannend und durchweg fesselnd. Nur gegen Ende, da schwächelt der Film etwas, zerfasert ein wenig.

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