Sener Sen ist wirklich alt geworden, er ist so alt geworden, dass sogar sein ansonsten souveränes Spiel - selbst unter den schlechtesten Regisseuren - zu leiden beginnt. Dennoch, zuweilen gelingt es ihm, alleine mit seiner Stimme oder mit einer Geste mehr auszusagen als manch ein gestandener Spitzenmime. Nur werden diese Momente anscheinend immer seltener. So auch in Kabadayi.
So ist er zwar nach wie vor der beste Schauspieler dieser Riege an talentmäßig zweitklassigkeit kaum zu überbietenden Darstellerstümpern, aber er nähert sich dem restlichen Rotztrupp erschreckend an.
Nicht ein anderer richtig überzeugender anderer darsteller ist aufzufinden in diesem Film.
Und das ist wirklich schade, denn der Film ist wirklich sehr gut. Nach dem verkorksten Trailer mußte man ja das Schlimmste befürchten, aber Kabadayi ist ein Film, der auf vielen Ebenen funktioniert:
Sozialdrama, Gesellschaftsdrama, Lebenslügen, Verrat, Liebe, Ehre, Hingebung, Loyalität, das Ändern der Gezeiten und an sich das Unausweichliche.
Untypisch für türkische Filme werden hier auch soziale Randfiguren weder der Lächerlichkeit preis gegeben noch mit dem erhobenem Zeigefinger moralisch auf den Kopf draufgehämmert.
So ist die "Heldin" eine Drogensüchtige, die in jedem anderen anderen neueren türkischen Film letztendlich als Hure diffamiert würde.
Der Sohn des Helden und eigentlich einziger Gewinner des Films (soviel sei mal verraten) ist ein untypischer Winner, da er eigentlich ein Unsympath ist, der prinzipiell für sein Verhalten gegenüber seinem Vater oder Ziehvater gegenüber den Arsch versohlt verdient.
Und der einzige echte und aufrichtige Kerl, der wirklich alle Sympathien des Films bei sich vereint - außer Sener sen versteht sich - ist eine Tunte, die letztendlich mehr Eier beweist als jeder andere Gangster im Film.
Und ein weiterer Pluspunkt des Films ist seine scharfe Sozialkritik, die aufzeigt, was der Staat alles selbst erschafft im Kampf gegen das organisierte Verbrechen.
Denn - auch soviel sei verraten - gerade als man denkt, dass der Schurke des Films wirklich an Eindimensionalität nicht mehr zu überbieten sei, dreht der Film auch hier um 180 Grad und zeigt ihn in seiner ganzen verlorenen Menschlichkeit und Verlorenheit auf.
Ein Riesenlob hierfür an die Filmemacher.
Selbst so ein David Hasselhoff der Türkei wie dieser TV-Action-Held Kenan Mibfbsdatrsafsdnh (oder so ähnlich), der sich zwar redlich müht aber letztendlich nur ein jüngerer hübscherer Claus Theo Gärtner ist, kann mit seiner Null-Mimik diese Tragik dieser Figur nicht mindern.
Sehr guter und auch von Nichttürken mit Sicherheit - wenn denn gesehen - geschätzter Film.
Das einzige Manko ist das schlechte Schauspielniveau, aber die Geschichte trägt den Film trotzdem weiter als gehofft.
8 Punkte