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„Dafür wird er bezahlen...“

Mark Schlichter, der bereits die vierte Episode des „Tatort“-Spin-offs „Schimanski“ inszeniert hatte, übernahm auch für die sechste, von Horst Vocks geschriebene Folge die Regie. „Geschwister“ wurde am 6. Dezember 1998 erstausgestrahlt. Wie 14 Jahre zuvor in Carl Schenkels „Abwärts“ treffen Götz George und Hannes Jaenicke aufeinander – jedoch in gänzlich anderen Rollen.

„Lange nicht gesehen, alte Schweinebacke!“

Der Kripo-Polizist Andy Bergmann (Roman Knizka, „Die Halbstarken“) sucht verzweifelt nach seiner Schwester Laura (Sandra Speichert, „Der Campus“), die, was er nicht weiß, mit dem kriminellen, aber einflussreichen Bauunternehmer Ewers (Hannes Jaenicke, „Die Sieger“) liiert ist. Ewers versucht mit allen Mitteln, Andy von Laura fernzuhalten, bekommt es aber bald mit Schimanski (Götz George) zu tun, der mit seiner Freundin Marie-Claire (Denise Virieux) schlussgemacht hat und nach Duisburg zurückgekehrt ist, wo Andy ihn schon erwartet – denn Schimmi schuldet ihm noch einen Gefallen…

„Du bist so gottverdammt stur!“

Dieser Fall ist im Prinzip eine etwas seltsame Verquickung mehrerer Fälle. Mit einer Parallelität arbeitet Schlichter bereits für den Auftakt: Andy sucht im Bordell „Pascha“ nach Laura und fliegt dort hinaus, während Marie-Claire mit jemand anderem im Bett liegt. Schimmi schleudert seinen Nebenbuhler ins Schnapsregal und wird festgenommen. Es wird suggeriert, Andy suche seine (Ex-)Freundin – umso überraschender die Erkenntnis, dass es sich um seine Schwester handelt. Laura sucht Andy zwecks Aussprache auf, wird aber von zwei Schlägern Ewers‘ übel zugerichtet. Doch Andy beherrscht Kampfsport und versteht es, sich entsprechend zur Wehr zu setzen. Schimanski kommt mit modischem Kurzhaarschnitt aus dem Knast und trifft in Duisburg auf Andy, der ihm erzählt, was passiert ist, und damit die Erzählstränge zusammenführt.

„Korrekter Dienstweg.“

Per Rückblende erfährt man, wie Andy einst Schimanski das Leben rettete und sich dabei selbst Kugeln einfing. Schimanski ist sich seiner Schuld bewusst, beginnt seine Ermittlungen im „Pascha“ und lädt sich spontan bei Schrader (Steffen Wink) zum Frühstück ein, um ihm die Spiegeleier wegzufressen. Der zweite – und eigentliche – Fall bringt dann auch wieder Oberstaatsanwältin Julia Schäfer ins Spiel. Diese muss einen Freispruch Ewers‘ hinnehmen, weil ihr Zeuge Schiller nicht vor Gericht erscheint. Und dann ist da noch Marie-Claire, die Schimmi nach Duisburg nachreist und ihn zurückwill. Den beiden gönnt Schlichter sogar eine Rückblende, die zeigt, wie sie sich kennenlernten.

So richtig kurios wird’s, als Schäfer neben einer Leiche im Bett aufwacht und derart verstört darauf reagiert, dass sie ihrem Beruf zunächst nicht mehr nachgehen kann. Schimmi und Schrader finden jedoch gar keine Leiche bei ihr, dafür aber ein Pilzgericht, von dem beide essen… Die Folge: Ein visualisierter Horrortrip Schimanskis, für den Schlichter & Co. mit damals angesagten Morphing-Spezialeffekten arbeiten und sogar Thanner aus alten „Tatort“-Episoden hineinschneiden. Die Splitscreen-Szene, in der Schimmi mit Schrader telefoniert, um zu erfahren, ob es ihm ähnlich erging, erinnert dann wiederum an alte Krimi- und Thriller-Kost.

„Merkt ihr nicht langsam selber, dass ihr mich immer erst dann holt, wenn die Leiche schon anfängt zu stinken?“

Nun reaktiviert die Kripo mehr oder weniger offiziell Schimanski, um ihn auf Ewers anzusetzen, womit sich der Kriminalfall langsam konkretisiert: Schiller war Ewers ein Dorn im Auge, weil er ein Kulturzentrum bauen wollte. Im weiteren Verlauf sorgen die beiden Semi-Comic-Relief-Männer (Matthias Redlhammer und Robert Viktor Minich) der Staatsanwältin für Zeitkolorit, indem sie „Tomb Raider“ spielen, flirtet die Staatsanwältin mit Schimmi (köstlich: dessen völlig verunsicherte Reaktion, die sein Macho-Image konterkariert), wird Schimmi böse von absoluten Klischee-Gangstern gefoltert und kristallisiert sich heraus, dass Andy und Laura eine inzestuöse Beziehung zueinander pflegten, was in einer Tragödie enden wird.

„…‘ne typische Schimanski-Scheißidee!“

So wird eine Vielzahl an Themen miteinander vermischt und mehr schlecht als recht miteinander verbunden. Nichts von alldem wird richtig auserzählt. Das Drehbuch schlägt Kapriolen, George spielt wacker dagegen an. Weniger wäre mehr gewesen, auch in Bezug auf die stets überschminkte und overdresste Speichert. Die Handlung erscheint übertrieben und unglaubwürdig, der Action-Anteil ist niedriger als in manch anderer Episode und wäre da nicht der gewohnt rüpelige, schnoddrige, zugleich herzliche und nicht auf den Mund gefallene Schimanski, wäre das hier nun wirklich kein sehenswerter Fernsehkrimi – aller (eher leiser) Kritik an skrupellosen Immobilienfuzzies zum Trotz, die hier zum Klischee verkommt.

Bewertung: 5 von 10 Pilzrisottos

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