Review

Chiko, das Milchgesicht 


„Scarface“ ist mein Lieblingsfilm. Noch immer und für immer. Gute Vorraussetzungen also, dass mir „Chiko“ auch gefällt? Ja schon. Denn die Geschichten um ambitionierte Kleinganoven auf dem Weg nach oben durch die Unterwelten Miamis bzw. Hamburgs haben definitiv Gemeinsamkeiten. Obwohl das Orginal natürlich unerreichbar bleibt und dieser deutsche „Kopie“ bei weitem nicht nur das ist. Dann wäre jede zweite Gangsterballade genau das. Zu groß ist Tony Montanas Einfluss auf die Popkultur und zu speziell diese filmische Nische. Also höre ich hiermit auch auf mit den vergleichen. „Chiko“ ist viel mehr ein klarer Vorfahre von „4 Blocks“, „Nur Gott kann mich richten“ und Co. Thematisch, stilistisch, regietechnisch. Özgür Yildirum hatte definitiv schon vor zehn Jahren seine Nische und seinen Stil gefunden - und mit „Chiko“ noch immer seinen besten Film gemacht. Roh, ungeschliffen, hart. Deutsches Genrekino, als dieses eigentlich totgeglaubt war. 

Wir folgen Issa aka Chiko, einem türkischstämmigen Gangster in Hamburg, der sich in der Hierarchie im Drogengeschäft hocharbeitet und alles andere als dumm anstellt. Doch schnell vernachlässigt er seine alten Freunde und zieht schnelles Geld und neue, reiche Freunde seinen Wurzeln vor, was unweigerlich in Konflikt und Katastrophen enden muss... „Chiko“ hat einen wirklich tollen Strassenvibe und fühlt sich sehr real und hart und ungekünstelt an. Alle Darsteller sind mit Inbrunst dabei und wirken wie in ihrem Element. Von der Sprache über den Look bis zur Mucke oder dem nicht unrealistischen, bitteren Verlauf - „Chiko“ fesselt, bleibt nicht länger als er muss und ist erstaunlich abschreckend was das „aufregende“ Leben als „harter“ Gangster betrifft. Bis tief ins letzte Drittel fehlen zwar etwas die echten Höhepunkte, doch sowohl die Charakterzeichnung als auch -entwicklungen haben es in sich. Man ist mittendrin statt nur vor der Flimmerkiste. Man riecht förmlich das Kokain, man spürt die Stiche und die Schlinge um den Hals fast aller Beteiligten. Kurz und schmerzhaft. Ein Warnschuss voller Flair, Elan und Leidenschaft. 

Fazit: Hamburgs (little) Scarface - eine der besten deutschen Gangstergeschichten. Noch immer. Wahrscheinlich für immer. Atmosphärisch, simpel, effektiv. Selbst wenn es manchmal eher gewollt als (budgettechnisch) gekonnt wirkt. Da war noch Luft nach oben. Aber es passt soweit. 

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