"Ich denke es gibt ein ernst zu nehmendes Problem mit ihrer geistigen Entwicklung."
Als der Yakuza Masashi (Hiroshi Abe) unwissentlich das Territorium eines gegnerischen Clans betritt und es zu Auseinandersetzungen kommt, rät ihm dessen Oberhaupt No. 8 (Pongpat Wachirabunjong) zu einem sofortigen Rückzug. Allerdings verliebt sich Masashi ausgerechnet in Zin (Ammara Siripong) eine Geldeintreiberin des Gangsterbosses. Um einen Bandenkrieg zu verhindern, kehrt Masashi in seine Heimat Japan zurück und lässt die schwangere Zin in Thailand zurück.
Nach der Geburt diagnostizieren die Ärzte bei dem Mädchen Zen (JeeJa Yanin) Autismus, eine schwere geistige Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns. Zin zieht sich von ihrer zwielichtigen Gesellschaft zurück und beginnt ein normales Leben, ganz zum Vorteil ihrer behinderten Tochter. Diese entwickelt eine besondere Wahrnehmung, welche ihr ganz besondere Möglichkeiten eröffnen, sich zu verteidigen.
Als Zin an Krebs erkrankt, fehlen ihr die Mittel für eine ausreichende Behandlung. Zen und ihr einziger Freund Moom (Taphon Phopwandee) wollen das fehlende Geld von Zens Schuldnern eintreiben. Dabei erregen sie die Aufmerksamkeit des Gangsterbosses No. 8.
"Chocolate" stammt aus der Feder des thailändischen Regisseurs Prachya Pinkaew, der mit "Ong Bak" und "Revenge of the Warrior" Tony Jaa seinerzeit ganz groß herausbrachte und, was die Kämpfe betraf, im Genre neue Maßstäbe setzte. Erneut zieht auch Action-Choreograph Panna Rittikrai im Hintergrund regelrecht die Fäden. Denn im Gegensatz zu "Ong-Bak" wurden nun besonders knifflige Stunts mit Seilen "vereinfacht", so wie es im Genre üblich ist.
Im Gegensatz zu den bisherigen Vorzeigewerken mit Tony Jaa legte Pinkaew mehr Wert auf eine ansprechende Story. Zudem erhält die diesmal weibliche Heldin ein deutlicheres Profil. Für Kampfsportfreunde bedeutet dies sich etwas in Geduld zu üben, denn es vergeht ca. eine halbe Stunde bis zum ersten Fight. Bis dahin konstruiert Pinkaew eine flott erzählte aber gut verfolgbare, lineare Geschichte, die zwar emotionale Höhen erreicht, ab und an aber doch holprig und aufgesetzt wirkt.
Somit entfalten sich auch die Figuren recht langsam, soweit man hier von einem Charakterdesign sprechen kann. Denn im Grunde sind diese typisch klischeebeladen und eintönig.
Später, wenn es actionreicher wird, spielen aber sowieso weder Handlung noch die Figuren eine größere Rolle. Diese werden dann auch gnadenlos vernachlässigt, was den vorherigen Versuch eine Anbindung zu erschaffen regelrecht sinnlos erscheinen lässt. Ebenso will lange Zeit keine wirkliche Spannung aufkommen, denn dafür mangelt es einfach an dramatischen Abschnitten. Erst gegen Ende erhöht sich das Niveau dramaturgischer Elemente und gleichfalls spektakulärer Kämpfe.
Für einen Martial-Arts Film sind es insbesonders die Kampfsportszenen, die ihn im Genre behaupten lassen oder mit ihm untergehen. "Chocolate" bietet hier einiges, wenn auch nicht immer etwas Neues.
Die Kämpfe sind, wie nicht anders zu erwarten, hervorragend choreographiert, bieten sehr viel Akrobatik, eine Prise Humor und beziehen vor allem das Inventar und die Umgebung sehr stark mit ein. Wie schon in "Ong-Bak" wurden auch für diesen Film kämpferische Elemente völligst auf die Hauptdarstellerin zugeschnitten. Insofern wehrt sich die nur 1.57 Meter kleine JeeJa Yanin meist nur durch Tritte, um die mangelnde Körperkraft zu kaschieren. Ganz überzeugen kann aber auch dies nicht, denn selbst ihre Tritte wirken manchmal zu sanft.
Gerade zu Beginn wird dieser Umstand noch zusätzlich durch Grunz- und Stöhnlaute ihrerseits so überzogen dargestellt, dass man sich beinahe an eine Parodie erinnert fühlt. Glücklicherweise steigern sich mit der Laufzeit Qualität und Quantität der gebotenen Verrenkungen. Bei der Einstundenmarke steigt die Faszination dann rapide an. Wenn etwa Gegner von einem Haus fallen und unsanft auf dem Boden aufschlagen, hat das genau die Art von Knochenbrecher-Qualität, mit welcher geworben wird.
Allgemein gibt es gerade im lang gezogenen Finale einige ansehliche Stunts, sowie beeindruckende Kampfsportszenen. Die gebotenen Leistungen spielen aber nicht ganz in der Liga der Konkurrenz mit. Dafür mangelts einfach an Ideenreichtum.
Auch sind es hin und wieder vorkommende, pseudokomische Elemente die das Tempo und die Ernsthaftigkeit des Themas gerne mal mit Füßen treten. Im Gegensatz dazu erscheint eine blutig inszenierte Schießerei übertrieben brutal. Anscheinend konnten sich die Produzenten zwischen düsterer Tragödie und alberner Parodie nicht wirklich entscheiden und integrierten von beidem diverse Elemente. Zumindest unterstreicht die musikalische Untermalung durchgehend die gute Atmosphäre.
An Darstellern bleibt einzig JeeJa Yanin hängen. Seit dem 11. Lebensjahr trainiert sie Taekwondo und hat eine Muay-Thai-Ausbildung. Sie gilt als grosses Martial-Arts-Talent und demonstriert hier eindrücklich ihre akrobatischen Fähigkeiten. Das Mädel ist ungeheuer gelenkig und sprungstark. Ob sie sich aber weiter nach oben arbeiten kann, entscheiden wohl Publikum und wohlgesonnene Regisseure.
Anfang und Ende sind gut, in der Mitte gibts einige Durchhänger. "Chocolate" hat eine Menge nicht genutztes Potential, beispielsweise im Bereich der Rahmenhandlung und Figurenzeichnung, die zu Beginn aufgebaut, dann aber völligst beiseite gelassen werden. Martial-Arts Fans müssen sich eine Weile gedulden und finden wohl am ehesten gegen Ende ansprechende Unterhaltung. Ein nette Dreingabe sind Referenzen zu "Ong-Bak", der innerhalb des Films im Fernsehen zu sehen ist sowie zum Abspann laufende Outtakes von Stunts die schmerzhaft ausgingen. Zumindest den Humor und die Leichtigkeit haben die Darsteller während der Dreharbeit scheinbar nicht verloren.
6 / 10