"You can count on me" ist einer dieser Filme, die bei uns in Deutschland nahezu unbekannt sind und das obwohl sie doch so eindrucksvoll beweisen, das man auch in den USA Filme drehen kann, die eine Geschichte zu erzählen haben und trotz des Genres Drama vollkommen ohne Melodramatik und heuchlerischer Tränendrüsendrücker Mentalität daherkommen. Zumindest im Ausland wurde das im Falle von "You can count on me" auch entsprechend gewürdigt, so hat der Film nicht nur beim Sundance Festival als bester Film gewonnen, sondern auch noch 2 Oscar-Nomminierungen (Laura Linney als beste Hauptdarstellerin, Regisseur Kenneth Lonergan als bester Drehbuchautor) bekommen. Und das vollkommen zu recht, wie man nach dem Genuss des Films neidlos anerkennen muss.
Kenneth Lonergan, der bisher hauptsächlich als Theaterautor und Regisseur Erfolge feiern konnte, erzählt ein Bruder-Schwester Drama, dass keiner aufgesetzt wirkenden Dramatik bedarf um zu fesseln. Viel mehr besticht der Film durch eine präzise und glaubwürdige Charakterzeichnung, eine einfühlsam erzählte Geschichte und durchweg fantastische Darsteller.
Der Film beginnt mit einem tragischen Autounfall, bei dem Sammy und ihr Bruder Terry ihre Eltern verlieren. Fast zwei Jahrzehnte später könnten die Leben der beiden nicht unterschiedlicher Verlaufen sein. Sammy lebt noch immer im Elternhaus, zusammen mit ihrem 8-jährigen Sohn Rudy. Der Vater von Rudy hat sie längst verlassen, und doch verläuft ihr Leben in geordneten Bahnen. Terry ist das genau Gegenteil seiner Schwester, er hat kein Verantwortungsgefühl, lebt mehr oder weniger in den Tag hinein und ist auf der Suche nach einem Sinn und Ziel in seinem Leben. Als er nach langer Zeit seinen Besuch bei Sammy ankündigt und auch wirklich auftaucht, beginnt sich (nicht nur durch Terry) alles zu verändern.
Kenneth Lonergan erzählt eine Geschichte, die voll ist von Humor, Gefühlen und Szenen, die trotz ihres fiktionalen Charakters doch immer nahe an der Realität sind, die dem Zuschauer das Gefühl geben, das er einer ganz normalen Familie zu sieht, mit Problemen wie sie jeden treffen könnten. Durch diese Atmosphäre gelingt es aber auch vortrefflich sich in den Film einzufühlen und sich richtig in der Geschichte fallen zu lassen. Die sympathischen Charaktere tragen natürlich nicht unerheblich dazu bei, das man sich nach 100 Minuten die Frage stellt, ob es das wirklich schon war. Gerne würde man doch wissen wie es weitergeht, wie sich die Charaktere weiter entwickeln, aber Kenneth Lonergan kaut keine Lösung vor, sondern überlässt es seinem Publikum sich ein ende auszumahlen.
Neben der wundervollen Geschichte, sind es insbesondere die Darsteller die den Film zu etwas besonderem machen. Laura Linney spielt die junge, alleinerziehende Mutter Sammy wunderbar natürlich und driftet mit ihrer Darstellung nie ins klischeehafte oder überzogene Spiel ab, das man US Dramas ansonsten oft nachsagt. Die Oscar-Nomminierung für sie ist sichtlich hart erarbeitet und doch absolut gerechtfertigt. Nicht weniger überzeugend spielt Mark Ruffalo, als Terry, der die Wandlung die sein Charakter andeutet wunderbar vermittelt und dabei doch immer noch etwas von einem trotzigen Kind hat. Rory Culkin als Sammys Sohn Rudy spielt hier ähnlich gut wie kurz darauf auch in "Sings" an der Seite von Mmel Gibson. Mathew Broderick als Sammys neuer Chef, mit dem sie auch prompt eine Affäre beginnt, spielt herrlich arrogant und kann ähnlich überzeugen wie der restliche Supportcast.
"You can count on me" ist ein toller Film, der bei uns in Deutschland leider (vollkommen zu unrecht) total untergegangen ist und auch in den Videotheken (so fern sie ihn überhaupt im Programm haben) eher in einer dunklen Ecke darauf wartet entdeckt zu werden. Und so ist auch das Gefühl das man beim Ansehen des Films hat ein Gefühl des Entdeckens. Und es gibt hier wirklich einiges zu entdecken. Eine uneingeschränkte Empfehlung für alle, die mit dem Genre Drama etwas anfangen können und endlich mal wieder einen guten Beitrag dazu aus den USA sehen wollen, der fernab ist von jeder Melodramatik und überzeichneter Mainstream Dramatik. 8 von 10 Punkten.