Review

Dies Girl hat Power! Nicht nur Semra Turan, die geniale, schöne, intensive Hauptdarstellerin, nicht nur ihre Rolle Ayse, nein, vor allem die Regisseurin Natasha Arthy. Mit traumwandlerischer Sicherheit eröffnet sie den Film mit einer unglaublich poetischen Zeitlupen-Traumszene, die einerseits
unheimlichen Sog entwickelt, andererseits sofort das Thema umreißt: Der Kampf gegen die eigene dunkle Seite.

(Oh Gott, bei „Kampf gegen die dunkle Seite“ denke ich gleich an einen dieser ätzenden Blockbuster, HERR DER RINGE, im Vergleich falschfarben, pathetisch, endlos, gewalttätig, dazu peinlich Elijah Woods hilfloses Overacting und die Glubschaugen.)

Dieses traumhafte Bild wird zum Leitmotiv.
Und so atemlos geht es weiter: Ayse ist ständig am Rennen, zwischen Schule, Elternhaus, „Fightclub“ versucht sie ihr Leben auf die Reihe, alles unter einen Hut zu bringen, und rennt, gehetzt von den Heimlichkeiten, zu denen sie sich gezwungen sieht: Vor allem die Karrierewünsche und vorgeblich moralischen Ansprüche der Eltern zwingen sie zu einem
atemberaubenden Eiertanz.

(Da denkt man gleich an den nächsten, im Vergleich nervtötenden, Blockbuster: TWILIGHT, wo die arme Bella permanent leidend an der Welt, zerrissen zwischen den Welten, durch die Geschichte stolpert. Anders als Ayse fehlt Bella dabei jegliche Eleganz; und Bella ist zwar stark, weiß sich aber nicht zu wehren gegen die Ansprüche. Sie verlangt, aber erreicht nichts. Doch Ayse „Hat Power!“ zwingt den Gegner in ihren Blick und tritt ihn um!
Dagegen wird in TWILIGHT meist nur geredet. Das find' ich zwar auch gut – siehe dort – aber es bleibt: Ein Film des Geschwätzes! Das Wirework am Ende wirkt dort merkwürdig fehl am Platze, während sich in FIGHTGIRL darüber Geschichte und Charakter entwickelt.)

(Ah, Wirework! Nun denkt man gleich an den nächsten unerträglichen Blockbuster, der gegen FIGHTGIRL AYSE total verliert: MATRIX. Dort sind ähnliche Kampfszenen, die aber unfreiwillig komisch wirken, so deplatziert sind sie in einem Parallelwelten-Science Fiction-Szenario, so hilflos wirkt das
manuelle Geprügel in dem High-Tech-Milieu, so überflüssig drangeklatscht sind die paar Kampfszenen an das endlose pseudophilosophische Gebrabbel der schlechten Darsteller, die ihr Unvermögen mit Sonnenbrillen und riesigen Mänteln verhüllen müssen.)

[An dieser Stelle die unvermeidliche Leserfrage: „Warum schwätzt der Kerl eigentlich ständig über andere Filme?!?“]

All diese Kritik an MATRIX, HERR DER RINGE, TWILIGHT (der mir eigentlich sogar GEFALLEN HAT!) zeigt eigentlich die Qualität von FIGHTGIRL AYSE. Denn hier vertraut Regisseurin Arthy auf ihre Bilder und Darsteller: die Geschichte wird über Blicke erzählte, über Großaufnahmen, Zeitlupen und Tänze. Und darauf konzentriert sie auch den Zuschauer, statt auf ihn ständig
pathetische Reden, Action-Gewitter und unfreiwillig komische, zum
Selbstzweck werdende Trickorgien eindonnern zu lassen. Was bei mir
eher Konfusion und Kopfschmerz auslöst, als Interesse.
[Na, ist ja klar, FIGHTGIRL AYSE ist halt so ein typischer Arthouse-Film, Indie-mäßig, Originalschauplätze, Plattenbauten wie bei Mike Leigh oder Andreas
Dresen, Ausländer-Integrationsproblematik wie bei Hark Bohm, Generationenkonflikte, Cliquenwirtschaft, dennoch alle Leute nett und liebenswert... anders als all die genannten Blockbuster, die ja gar nicht Arthouse sein wollen und lieber ihre Banalität kultivieren.]

Ätsch, reingefallen! FIGHTGIRL AYSE ist all dieser Arthouse-Kram – UND gleichzeitig ein Kampfkunstfilm! Und DAS ist die Meisterleistung! Er verbindet diese Ebenen! Ha! So ein Kampf wie in der Küche, während der Hochzeit, dürfte sogar Jackie Chan, meinen Lieblings-Clown-Kaspar aus der clownesken HongKong-Schule neidisch machen: Da fliegt das Essen, aber mit vollem Ernst und Verzweiflung, so daß Arthy bald nach Hollywood wegengagiert sein wird.

Ihr Niedergang wird uns traurig machen. Denn eine Steigerung scheint mir selbst in Dänemark kaum möglich – wie weniger dann erst im Langweilland Lollywood!

Details
Ähnliche Filme