Review

Schottische Neo-Beat-Poetry mit Höhen und Tiefen

Auch hier mal wieder ein Beispiel für eine vollkommen fehlerhafte Vermarktung eines eigentlich gar nicht mal so üblen Films, der aufgrund dieser nicht unbedingt gute Kritiken einheimste und seitdem zu Unrecht übersehen wurde, weshalb leider auch somit bis zum heutigen Tag keine deutschsprachige DVD-Auswertung erfolgte und der Streifen demzufolge bislang nur in seiner Originalsprachfassung auf Silberling erhältlich ist.
Was sich bei manch anderen Streifen nicht unbedingt als Nachteil auswirkt, entpuppt sich hier jedoch aufgrund des übelsten schottischen Dialekt, der hier dargeboten wird, als gravierendes Manko, da der Oxford-Englisch-gebildete Schulabgänger bisweilen gerade einmal die Hälfte aller Dialoge und Jokes versteht.
Die bisher nur im TV ausgestrahlte Deutsche Fassung enthüllt da schon etwas mehr von dieser grotesken Mischung aus schottischer Kleinstadt-Milieustudie und Kafka'esken Rauscheskapaden, die jedoch zu keinem Zeitpunkt die exzessive Intensität von Danny Boyles "Trainspotting", David Cronenbergs "Naked Lunch" oder Terry Gilliams "Fear and Loathing in Las Vegas" erreichen.
Dennoch kann schon die erste der drei Episoden mit gutem Willen als moderne Interpretation der berühmten "Verwandlung" Kafkas (Ihr wisst schon: Mit einem Mal wacht man als Käfer auf...) herhalten, in welcher der Kleinstadt-Loser Boab nach einem sprichwörtlichen "Scheißtag" (aus dem Fußballclub geschmissen, von der Freundin verlassen, von den Eltern rausgeworfen) von Gott höchstpersönlich als Strafe für seine Faulheit in eine Fliege verwandelt wird. Erst als diese gelingt ihm jedoch die Rache an seinen Peinigern.
Die zweite Episode stellt die tragische, in der sozialen Unterschicht angesiedelte Liebesgeschichte eines weiteren Losers dar, der ebenfalls keine Versuche unternimmt, seine Lebenssituation zu verbessern und das gewohnte Leid dem ungewohnten Glück vorzieht.
In Episode drei gibt es schließlich ein Wiedersehen mit dem als "Spud" aus "Trainspotting" bekannten und erneut absolut kultigen Ewen Bremmer, der hier als UK-Football-Hool den Körper durch eine Mischung aus einem magischen Blitzschlag und LSD mit einem just entbundenen Kleinkind tauscht.

Die mittlere Episode ist wohl nicht nur meiner bescheidenen Ansicht nach die Schwächste des Films, zumal sie auch wie ein Fremdkörper im gesamten Films wirkt und höchstens von der sublimierten Moral, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, thematisch mit der ersten verbunden ist. Ansonsten wird diese stereotype Milieustudie auch aufgrund fehlenden Mitleids für den doch arg dusseligen Protagonisten schnell langweilig.
Die erste und letzte Episode verbindet hingegen nicht nur die Thematik um physiche Verwandlung bzw. Körpertausch; sie kommen auch dem angepriesenen Triperlebnis schon etwas näher; vor allem Bremmers Verkörperung eines Neugeborenen offenbart echten Kultcharakter.
Mit "Trainspotting" verbindet "The Acid House" hingegen lediglich das Setting in schottischer Kleinstadt-Tristesse, ein paar doch arg offensichtlich bei Danny Boyle abgeguckte filmische Stilelemente (welche die Produktion jedoch auch äußerst professionell gedreht erscheinen lassen) sowie die Tatsache, dass auch hier Irvin Welsh, der hier erneut die Romanvorlage lieferte, in einer Nebenrolle persönlich in Erscheinung tritt.

Statt dem erhofften filmischen Trip gibt es hier also eine leider etwas unausgegoren zwischen genial-unterhaltsamen Momenten und stereotyper Langeweile pendelnde, reichlich krude Mixtur, die dennoch ihre gelungenen Momente aufweist und in ihren Inhalten und Ausführungen mit etwas gutem Willen als eine Art moderne schottische Variante der US-Beatpoetry-Kultur der 60er gedeutet werden kann, aber auch nicht muss.
Dennoch sollten Freunde experimenteller Episodenfilme abseits des filmischen Mainstreams ruhig mal ein (eventuell rotgefärbtes) Auge riskieren.

Details
Ähnliche Filme