Wochenende. Herrliches Sauwetter draußen. Kurz nach Mitternacht. Ideale Voraussetzungen, den Abend mit einem gediegenen Film gemütlich ausklingen zu lassen. Ich stehe noch recht ratlos vorm DVD-Regal und ignoriere spöttische Bemerkungen meiner besseren Hälfte, dass ich angeblich mal wieder wesentlich länger brauche einen Film auszusuchen, als es anschließend dauert ihn anzuschauen. Meine Blicke wandern über einen noch unsortierten Stapel Neuerwerbungen. Ein paar Klassiker, Risikokäufe, Schnäppchen. Da plötzlich ein Flüstern.
Bist du bereit, für das wahre Grauen?
Ich traue meinen Ohren nicht. Die Stimme scheint aus einem unfolierten Metalpack am unteren Ende des Stapels zu kommen. "Landhaus der Verfluchten" steht da in großen, prätentiösen Buchstaben. Ungläubig blicke ich auf das Cover, von dem aus mich die halbverweste Visage irgendeiner Trulla anstarrt. Noch bevor ich reagieren kann, flüstert's erneut.
Willst du erfahren, wie aus Liebe abgrundtiefer Hass wird? Willst du Zeuge bestialischer Verbrechen werden?
Die Stimme klingt jung, weiblich und besticht durch ihren entzückenden, fernöstlichen Akzent sowie einen verführerischen, wenn auch leicht provokanten Unterton. Ich fasse mir ein Herz und erwidere ohne lange nachzudenken "Nun, das kommt ganz darauf an... was hast du denn zu bieten?"
Eine rätselhafte Serie brutaler Frauenmorde erschüttert Thailand... die Täter sind Ärzte und von ihrer Unschuld überzeugt... sie alle bewohnten dasselbe Landhaus, wo sie ihre Opfer töteten...
"Nein, lass mal", sage ich, "an langhaarigen Geistermädchen die in einer verwunschenen Hütte eckig umgehen ist mein Bedarf gerade gedeckt". Ich bemerke beiläufig, dass mich meine Lebensgefährtin ungläubig anschaut, als ob ich den Verstand verloren hätte. Kann sie die Stimme denn nicht hören?
Aber diese Geschichte ist ... anders ... sie beruht auf einer wahren Begebenheit! Blankes Entsetzen wird dich heimsuchen, wenn du das grauenvolle Geheimnis von Haus 700/5 erfährst...
Ich schaue mir das einzige Screenshot auf dem Backcover an. Da torkeln zombieähnliche Gestalten auf eine durchaus anmutige junge Dame zu. Im Hintergrund steht eine beeindruckend düstere Villa. Hmmmm... Bangkok ist nicht Tokio, denke ich mir und die weibliche Hauptrolle Intira Jaroenpura gibt zugegeben eine äußerst gute Figur ab. "Na gut", sage ich, "lassen wir's darauf ankommen..."
~ 100 Minuten später ~
Hmmm.... originell war mal wieder weder die Geschichte um das verfluchte Haus, noch die Auflösung und schon gar nicht die inzwischen schon sehr oft gesehene Wendung am Schluss. Warum hat man nicht mehr Einblicke in die Psyche der Protagonistin geboten? Dann wären deren Halluzinationen doch wesentlich überzeugender (und beunruhigender) rübergekommen. Naja, gruselig war es ja stellenweise schon, nur der überzogene Einsatz von Blitz, Donner und Nebel wirkte unerfreulich künstlich. Wirkliche Längen sind durch die straffe Inszenierung zum Glück nicht entstanden und sogar die dämonischen Schattengestalten wirkten durchaus bedrohlich, auch wenn's mal wieder nur reines CGI-Ektoplasma war. Wenn doch nur diese plakativen Schockeffekte eine längere Halbwertszeit hätten... Aber die Chalinee, die war wirklich schnucklig!
Bedaure, dass ich die geweckten Erwartungen nicht ganz erfüllt habe. Meine Zielgruppe ist ja auch nicht ausschließlich der Genre-Vielseher... Doch was hast du jetzt mit mir vor?
"Mal sehen", knurre ich und schiebe die DVD erst einmal wieder zurück ins Regal. Eine erneute Sichtung scheidet auf absehbare Zeit wohl aus, aber aussortieren kommt irgendwie auch nicht in Frage. "Mit wem redest du da?" tönt es schläfrig aus dem Wohnzimmer. Mein Blick gleitet erneut über den Stapel der Neuzugänge und bleibt an dem Digipack von "Poultrygeist - Night of the Chicken Dead" hängen. Genau was ich jetzt brauche, damit die Stimmen endlich verschwinden.