Nachbarschaftssteitigkeiten können bisweilen absurde Auswüchse annehmen, die Außenstehende eher zum Schmunzeln animieren. Geanu diesen Weg scheint auch Nick Labutes "Lakeview Terrace" zunächst einmal einzuschlagen: Abel Turner (Samuel L. Jackson) ist ein Pedant von Polizist. Ein starres Wertegefüge verinnerlicht, hat er ein übertrieben wachsames Auge dafür, was gerade in der Nachbarschaft vor sich geht. Wenn der Kerl von nebenan seine Frau schlägt - seid euch sicher, Abel Turner weiß es sofort.
Der gute Mann hat seine Umwelt auch sicher unter Kontrolle. Bis zu dem Tag, an dem ein gemischtfarbiges Pärchen ein Haus in seiner Sieldung bezieht. Direkt in der ersten Nacht erwischt er Chris und Lisa dabei, wie die beiden (noch) glücklich Verliebten in schlüpfriger Pose den heimischen Pool einweihen. Damit ist das Eis auch sofort gebrochen, Abel bricht ein Scharmützel vom Zaun, das vorerst zur allgemeinen Erheiterung beiträgt. Er richtet seinen Suchscheinwerfer auf Chris' und Lisas Schlafzimmer aus, heftet lustige Strafzettel an die Windschutzscheibe der Neuankömmlinge und benimmt sich bei auswärtigen Besuchen herrlich daneben. Doch die nachbarschaftliche Groteske nimmt schnell bedrohliche Züge an. Immer häufiger lebt Abel seinen latenten Rassismus offen aus, Samuel L. Jackson, der zuletzt kein glückliches Händchen bei seiner Rollenauswahl hatte, läuft zu einer äußerst beklemmenden Hochform auf. Dass die Aggression in diesem Fall von einem schwarzen Mann ausgeht, macht die ganze Angelegenheit noch befremdlicher.
Dass der Terror auf der Leinwand seine Spuren tätsächlich auch beim Betrachter hinterlässt, liegt vor allem daran, dass Regisseur Nick Labute weistestgehend auf Plattitüden verzichtet. Das, was wir erleben dürfen, ist nicht nur heftig, sondern auch hochgradig dramatisch: Die hier vorgetragene Spirale der Gehässigkeiten ist kein voyeuristisches Mittel zum Zweck, sie wirkt sich wahrhaftig auf das innenleben aller Beteiligten aus. Die Beziehung von Lisa und Chris, der sich bereits mit Lisas überskeptischen schwarzen Vater aufreibt,droht zu zerbrechen, weil Abels gezielte Spitzen genau dort treffen, wo sie am meisten schmerzen. Und auch der vordergründig böse Abel selbst ist kein genuin degenerierter Charakter. Seit seine Frau verglückt ist, hat er mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Im Grunde genommen ist er gar kein so übler Kerl, was vor allem dann offentsichtlich wird, wenn er Chris in einem Anflug von Sentimentalität doch die Hand bzw. das Glas reichen will. Doch die Situation ist mittlerweile zu festgefahren, als dass die beiden Parteien jetzt das Nachbarschaftskriegsbeil begraben könnten. Der Rauch, der bedeutungsschwanger von einem nahegelegenen Waldbrand aufsteigt, hat die "Lakeview Terrace" schon fast erreicht - und wird auch nicht mehr abdrehen.
Bei aller Intensität vergisst Nick Labute allerdings den richtigen Ausstieg zu finden. Der fingierte Einbruch mit tragischem Ausgang wäre ein schmerzhafter, aber gelungener Schlusspunkt gewesen. Stattdessen setzt er zum Abschluss dann doch nochmal auf altbewährte Muster. Bis dato war "Lakeview Terrace" ein verstörendes Drama; ja fast schon ein kleines Stückchen "American History X" am Gartenzaun. Der finale Face-Off wirkt dagegen wie Einheitsware vom Thriller-Grabbeltisch. Die schwachen Schlussworte gab's wohl gratis dazu.
Fazit: "Lakeview Terrace" ist ein überraschend erfrischendes und gleichzeitiges beunruhigendes Stück Film, das die Fremdenhass-Thematik zwar nicht grunderneuert, aber zumindest um ein paar Nuancen erweitert. Ein intelligenter Streifen, der von der ersten Minute zu wirken beginnt, nicht zuletzt dank der couragierten Leistung eines Samuel L. Jackson, dem man ein derart gelungenes Engagement fast nicht mehr zu getraut hat. Leider trüben die Schwächen im Abgang den Gesamteindruck. (7,5/10)