OFDb
Kritik von Dia Noga (Bernd Dötzer)
zu „Summer Night Fever“ (Deutschland, 1978)
- Ohne Spoiler, damit dem zukünftigen Zuschauer alles selbst zu entdecken und zu erleben vorbehalten bleibt. Diese Kritik soll eine Hilfestellung sein, ob der Film sich für den jeweiligen Leser lohnen mag. -
Fangen wir mit dem Titel an – zu den Figuren & Darstellern später:
„Night Fever“ verrät, dass zumindest einige Anleihen wie Disco-Besuche im bunten Scheinwerferlicht und entsprechende Musik aus der Zeit mit dabei sind, was natürlich mit dem Mega-Erfolg „Saturday Night Fever“ aus den USA mit John Travolta zu tun hat, der im April 1978 in die deutschen Kinos kam. Der deutsche „Summer Night Fever“ nur knapp 5 Monate später!
Noch mehr als das trifft es das „Summer“ im Titel … ja, es ist durchgehend Sommer, Sonne, Strand, Spaß, Freundschaft, Liebe … und alles, was sonst noch zu einem Road-Movie dieser Art dazugehört!
Wie z.B. flatternde Klamotten im warmen Wind auf teils nackter Haut … aber darüber hinaus wiederholt Nacktheit, und dieses Mal gibt es Gleichberechtigung im Film: Nicht nur die Damen sondern ebenso ein Herr sind im Adamskostüm mehr als einmal eindeutig sichtbar.
Aber auch hier kann ich sagen – wie bei meinem Kommentar zu „Jung, schön und lasterhaft“:
Es ist kein Sexploitation oder Softsexfilm, auch wenn immer wieder Nacktheit und Liebelei vorkommt.
Denn die hier gezeigte Nacktheit gehört zum offenen Umgang mit dem Körper als Teil der Natur, und die (körperliche) Liebe, welche die auf dem Urlaubstrip Suchenden finden, gehört zum in unserer Zeit nicht mehr auf die leichte Schulter zu nehmenden Lebensgefühl der „freien Liebe“, denn damals, 1978, war AIDS noch nicht bekannt und somit muß dem Zuschauer bewußt sein, dass von dieser Seite auf so einer Reise keine Gefahr bestand. Und wenn andere Gefahren auftreten – auch für die Mädchen – wird dies im Film ohne schlimmes Ende überstanden.
Wer sich dem bewußt ist und den Figuren im Film zusätzlich vorausschauendes Verantwortungsbewußtsein (Verhütung) zugesteht, was man nicht weiß aber voraussetzt, und weil eben auch das Herz zum Zug kommt, kann sich gelassen zurücklehnen und einen unterhaltsamen Sommer-Trip im VW-Käfer-Cabrio von Deutschland nach Ibiza und die dabei vorkommenden Abenteuer und Erlebnisse genießen.
Auf die Spanien-Reise im Käfer-Cabrio gehen zwei Freunde, nicht viel älter, als dass man den Führerschein haben kann, sowie die Schwester des einen, Vicky ihr Name, gespielt von der damals schon bekannten 21-jährigen Olivia Pascal, die im Film jünger wirkt und deren Model-Figur und natürliche Schönheit dem anderen Freund erst nach einiger Zeit positiv auffällt … jüngere Schwestern von besten Freunden sind doch immer unattraktive Nervensägen, oder?
Die beiden Freunde selbst sind bewußt gewählte, angenehme Nicht-Schönlings-Typen, somit kann sich der durchschnittliche männliche Zuschauer mit ihnen identifizieren, sie sind in Reichweite für uns … eventuell auch deren Abenteuer bei dieser Reise?
Vickys Bruder, Freddy, wird vortrefflich von Claus Obalski gespielt und erinnert mich derart an den brillentragenden, unerfahrenen, vorsichtigen aber netten Streber namens „Karbrüggen“ aus dem deutschen Film „Schule“ von 2000 (mit Daniel Brühl & Jasmin Schwiers), dass eben dieser Karbrüggen für mich wie eine 1:1-Kopie von Freddy wirkt.
Dritter im Bunde ist Peter, gespielt vom Franzosen Stéphane Hillel, der zwei Jahre zuvor in der Coming-of-age-Hit-Komödie „Her mit den kleinen Engländerinnen“ eine Hauptrolle ausfüllte. Dies mag wohl auch der Grund gewesen sein, diese Rolle in „Summer Night Fever“ bekommen zu haben, was im Endergebnis gut funktioniert hat.
Neben diesem Dreigespann, das wir den ganzen Film über verfolgen werden, gibt es noch reichlich Bekannte und Schöne zu sehen, wie z.B. die spätere Showmaster-Ikone Thomas Gottschalk für einige Sekunden als DJ, sowie in größeren Rollen Italo-Western-Star Gianni Garko und Playboy-Playmate von 1977 Bea Fiedler.
Da die Suche nach der Liebe und ihrem Wert und auch nach sich selbst bei allen drei Hauptfiguren im Laufe des Films eine Charakterentwicklung bewirkt, hat diese Produktion erzählerische Qualität. Dazu kommt wie erwähnt der hohe Sommerurlaubsfaktor und die Tatsache, dass die komödiantischen Anteile nicht in Kalauer-Slapstick verfallen, wie es oftmals in deutschen Produktionen dieser Zeit der Fall war. Selbst eine Szene, die dazu einlädt und längere Zeit auf und gleichzeitig unter einem Bett spielt, schafft es meiner Meinung nach gerade noch, diesem unerträglichen Overacting-Komik-Wahnsinn zu entgehen.
Alles in allem wirkte "Summer Night Fever" auf mich wie eine Mischung aus "Und nächstes Jahr am Balaton" (DDR, 1980), die ersten "Eis am Stiel"-Filme, "Französisch für Anfänger" (mit Paula Schramm & François Goeske), dem erwähnten „Schule“ und „Summer Lovers“ (mit Daryl Hannah, Peter Gallagher & Valérie Quennessen).
Für Männer und Frauen gleichermaßen geeignet. Mit guten Freunden, Snacks und Getränken bietet „Summer Night Fever“ simple aber positive, gelungene Unterhaltung mit so viel Urlaubsfeeling und Nostalgie, dass er für einen deutschen Film – zumindest für mich – schon etwas Außergewöhnliches ist.
„Summer Night Fever“ ist ein Zeitsprung zurück in die späten 1970er, ein astreiner Coming-of-Ager, und bietet für viele erwachsene Zuschauer, die lange aus diesem Alter entwachsen sind, auch einen Sprung zurück in eine Zeit nostalgischer Jugend – egal ob selbst so etwas erlebt oder nicht.
Aber dafür gibt es ja Film:
Um unbeschwert Träume zumindest auf der Leinwand erleben zu können!
Falls es für den ein oder anderen Leser hier zusätzlich hilft:
Wir waren zwei Herren im mittleren Alter, die dieses bis dahin für uns unbekannte Werk zusammen gesehen haben. Entscheidend für die Auswahl des Films waren Darstellerin Olivia Pascal, die Story als sommerliches Roadmovie mit Disco-Musik und die Fotos des DVD-Covers (MCP), aber auch Filmkritiken hier auf OFDb. Ergebnis: Der Film hat gut unterhalten und uns beiden gefallen.
In Schulnoten (1-6) gebe ich "Summer Night Fever" eine 2- (2 minus), somit gut.
Dazu kommt:
Das Videoformat der DVD von MCP ist 4:3, der Film ist in Letterbox (mit schwarzen Streifen oben und unten) aufgespielt, somit nicht anamorph, aber gibt wohl das originale Filmformat wieder. Die Farben sind wirklich gut. Wir haben den Film per Videoprojektor auf einer Leinwand mit einer horizontalen Breite von knapp zwei Metern ausgefüllt gesehen und ich muß sagen, die Schärfe hat dafür gut ausgereicht, keine Ablenkung durch Unschärfe, das Gehirn folgt der Filmhandlung.
Sollte es jedoch einmal eine HD-Abtastung geben, kann ich dem Film vorab eine glatte 2 als Note geben, da ganz sicher die schon vorhandene tolle Urlaubs- und Unterhaltungs-Atmosphäre nocheimal gesteigert herüber kommen würde, was eine erneute Aufführung in meinem Heimkino ganz sicher rechtfertigt.
Nun viel Erfolg beim Abschätzen, ob der Film für Dich, geneigter Leser, tauglich erscheint.