Der im Prinzip unveröffentlichte begleitende Kurzfilm zur EP "Broken" hat in der Zwischenzeit den Weg in die p2p-Netzwerke gefunden. Auf eine offizielle Veröffentlichung wird man wohl auch weiter warten dürfen, denn es handelt sich mit Leichtigkeit um das wohl extremste Musikvideo bislang.
Eingebettet in eine Rahmenhandlung fügen sich die Clips zu "pinion", "wish", "help me i am in hell", "happiness in slavery" und "gave up" zu einem in seiner Grausamkeit faszinierenden Gesamtbild, das den Hass von NIN-Frontmann Trent Reznor von den Strukturen der Musikbranche weg auf eine konkrete Dominanz-Unterwerfungssituation hin überträgt.
1. Rahmen
Ein Mann wird in Zeitlupe bei einer Hinrichtung erhängt.
2. Der Snuff-Film
Einige verwackelte Videokamerabilder, kurz ein Schriftzug ("Meat") auf einer Werbetafel, der böses ahnen läßt. Ein finsterer Psychopath hat ein Opfer gefunden, das zu Tode gefoltert wird, während in einem Fernseher Nine Inch Nails-Videoclips zu sehen sind
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a) pinion
Die Kamera folgt eine Toilette hinunter den Abflußohren. Der Intro-Track steigert sich bedrohlich, wird immer lauter und die Rohre enden im Mund eines Latexsklaven.
b) wish
Der Grammy-prämierte Song schildert den verzweifelten Kampf des Subjekts gegen ein übermächtiges Kollektiv, durch das es betrogen wurde (wish there was something real wish there was something true). Reznor und Band performen in einem Käfig, der von finsteren Männern belagert und letztlich gestürmt wird. - Auf der Snuff-Ebene ist der Psychopath von der Textstelle "Fist-Fuck" besonders angetan.
c) help me i am in hell
Ein Mann sitzt in einer Gumizelle voller Fliegen und läßt sich ein Steak schmecken, gleichzeitig ist derselbe Mann in S/M-Kluft (mit Scheuklappen und Kandare) zu sehen.
d) happiness in slavery
Das wohl härteste Musikvideo aller Zeiten, gleichzeitig aber eine eindeutige Aussage über die postindustrielle Kultur. Ein Mann wird von einer Maschine sexuell stimuliert, anschließend gequält, durchbohrt und zerschreddert. Schließlich scheidet ihn die Maschine durch eine Anusartige Öffnung als Brei aus und düngt damit Pflanzen und Würmer. Zelebriert als religiöse Zeremonie warnt der Song vor dem Rückfall der Aufklärung in Mythos. So wie das Opfer des Heiligen Königs, sein verspritzen des Blutes auf die Felder in weniger zivilisierten Tagen das Fortbestehen der Gesellschaft ermöglichen sollte, hält heute "some flesh in this big broken machine" als Humankapital die Industrie (auch die Plattenindustrie) am Leben.
e) gave up / snuff
Im Finale des Films wird das Opfer nun seiner mythischen wie der rationalen Maskerade beraubt und als nackte Gewalt entlarvt. Ziel des Herrschenden ist in letzter Konsequenz die Erniedrigung des anderen (egal ob Mensch, Tier oder Gegenstand) zum bloßen Objekt, zu einer Sache, über die Herrschaft ausgeübt wird. Ziel der Herrschaft ist der persönliche Genuß, die patriarchale Herrschaft ist sadistisch, homosexuell und vor allem am Körper interessiert (vgl. hierzu so unterschiedliche Quellen wie Horkheimer/Adornos Essay "Interesse am Körper", die Herren in "Salo" oder den Faschisten in "Pan's Labyrinth"). Zu nihilistischen Aussagen wie "smashed up my sanity, smashed up integrity" zerstückelt der Psychopath sein Opfer nach einigen Grausamkeiten mit einer Kettensäge, onaniert in den Torso und verzehrt das Herz. Zahlreiche Anspielungen auf Leatherface bzw. den Fall Ed Gein sind geschickt in schwarzweißen Rückblenden dazwischengeschnitten. (Wer genau hinschaut erkennt Robert Patrick als Polizisten; sein Bruder Richard Patrick war damals bei NIN, inzwischen ist er Frontmann bei Filter).
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Die Broken-EP für sich alleine ist schon ein unvergleichlich zorniges Stück Musikgeschichte und wird nur noch von dem Meisterwerk The Downward Spiral übertroffen. In Kombination mit den auch in Zeiten von Hostel noch ziemlich drastischen Bildern, dem Pseudo-Realismus der Snuff-Handlung sowie dem durchgängig pessimistischen Menschenbild ergibt sich ein nur sehr schwer verdauliches Kunstwerk, das in seiner Kompromißlosigkeit und Konsequenz bewundernswert ist.