Der japanische Schauspieler Narimiya Hiroki hat sich hier einmal an einem eigenen Film versucht. Das Ergebnis, ein rund 44-minütiger Kurzfilm, befindet sich auf einer künstlerisch hohen Ebene, ist dafür aber auch extrem seltsam geraten und sicher nicht jedem Zuschauer zugänglich. Noch dazu lässt sich das Ganze äußerst schwer in Worte fasen.
Was zuallererst auffällt, ist, dass nur eine einzige Person in Imagine vorkommt—Narimiya Hiroki selbst nämlich, der einen namenlosen jungen Mann in irgendeiner japanischen Stadt spielt und dabei autistisch in einem staubigen Abbruchhaus lebt, bevor er immer wieder einmal einen fantastischen kleinen Ausflug in seine eigene Welt unternimmt. Dementsprechend gibt es auch keine Dialoge. Tatsächlich fällt nur ein einziger Satz ganz am Ende des Films, wie die Lösung zu einem Rätsel, ein Fazit, das dem Zuschauer den Sinn des Films trotzdem nicht mit Gewalt einhämmern möchte, sondern ihn zum Nachdenken anregt. Man muss den Kurzfilm im Nachhinein noch einmal Revue passieren lassen, muss ihn verarbeiten und versuchen, seine Essenz herauszuziehen.
Die Handlung von Imagine ist minimal und hintergründig. Unzweifelhaft mag man sich beim Genuss des Films so manches Mal fragen, was das alles soll. Und obwohl einige Szenen wirklich nicht von Bedeutung für den Verlauf zu sein scheinen, ergibt das alles am Ende doch ein großes Ganzes. Irgendwie.
Ästhetische Bildkompositionen entführen den Zuschauer also in die Welt des Protagonisten, der in einem Abbruchhaus lebt, auf zugewucherten Autofriedhöfen nach Schrottteilen stöbert und scheinbar einen großen Traum hat, auf den alles hinausläuft. Irgendwie. Die kryptische Aneinanderreihung von Szenen, die durchwegs schön gefilmt sind, macht den kleinen Streifen sicher nicht zur leichten Kost. Narimiya Hiroki mit seinen Outfits und geschmeidigen Bewegungen, mal stark geschminkt, mal nicht, fügt sich perfekt ins Gesamtbild des seltsamen Filmes ein, der Soundtrack aus ruhigen, manchmal dumpfen Electronic-Beats sorgt für eine ganz eigene Atmosphäre. Narimiya Hiroki arbeitet mit allen Tricks. Mal in unscharfen überbelichteten Farben, dann wieder im radioaktiven Grün der Nachtsichtkamera präsentiert er uns die selbst mit digitalen Spielereien versehenen ruhigen Bilder.
Szenen wie etwa die, in welcher der Protagonist vollständig angezogen in einer mit schwarzem Schmutzwasser gefüllten Badewanne planscht oder die eher befremdliche Szene, in der er sich mal scheu, mal lasziv auf einem alten Sessel räkelt, haben zwar einen Tick Überlänge, doch die schön gefilmten, melancholisch eingefärbten Bilder machen all das wieder wett.
Fans von Narimiya Hiroki werden sich über seine intensive Bildschirmpräsenz sicherlich freuen, da er immer kunstvoll in Szene gesetzt ist und das (zumindest die meiste Zeit) ohne aufdringlich zu wirken. Wer sich an seltsamen bis künstlerisch ästhetischen Inszenierungen erfreuen kann, für den lohnt sich Imagine ebenfalls. Imagine ist also ein einzigartiges, höchst inspirierendes Kurzfilmerlebnis, das man kaum in Worte fassen kann und das gefühlten Tiefgang besitzt, selbst wenn einem der kryptische Inhalt verschlossen bleibt.