Review

Bei diesem Underground-Klassiker, der zu den bekanntesten, damals beliebtesten aber bei weitem nicht besten Undergroundfilmen zählt, wirkte eine ganze Reihe von Stars des New Yorker Underground mit, noch bevor sich dieser so richtig etabliert hat.

Zum einen wäre Jack Smith zu nennen, der hier unter den Darstellern zu sehen ist. Smith, später oftmals liebevoll als "schwule Muse des Underground" gefeiert, inszenierte seinerseits im Jahr 1963 5 seiner insgesamt 7 Filme, darunter "Flaming Creatures", der gemeinhin als DAS Kultphänomen des New Yorker Undergrounds zählt; bewundert von Andy Warhol, der gerade erst bekannt gewordenen Susan Sontag, Ken Jacobs (der im selben Jahr mit "Blonde Cobra" Underground-Filmgeschichte schrieb) oder Jonas Mekas, der auch für die Finanzierung des Klassikers verantwortlich ist (nicht zuletzt dank Vorführungen von Genets "Un Chant d'amour" (1950)) - das eine wie das andere brachte Mekas Gerichtsverfahren ein. Smith selbst aber ist "better known for the appearances in other people's work than for his own films."1 Diese Karriere als Darsteller beginnt in Rices "Queen of Sheba..." und dauerte bis in die 80er Jahre an. (Darunter war auch der von Lloyd Kaufman produzierte "Silent Night, Bloody Night" (1974), in dem mit Candy Darling ("Flesh" (1968)) bereits ein Underground-Veteran mitspielte...)
In weiteren Rollen waren Julian Beck und Judith Malina zu sehen: Das Ehepaar leitete zusammen das Living Theatre, Beck war zudem noch als Maler tätig. Die Schauspielerei konnten beide später zum ernsthaften Lebensunterhalt machen: Beck arbeitete später Pasolini, noch später in Filmen wie "Nine 1/2 Weeks" und "Poltergeist II" (er starb während der Dreharbeiten), Malina war später auch in "richtigen" Filmen wie "Awakenings" oder "The Addams Family" zu sehen.

Am beeindruckendsten entpuppt sich aber letztlich die männliche Hauptrolle: Ein gewisser Taylor Mead, vorher nur in drei eher unbedeutenden Undergroundfilmen aufgetreten (darunter Rices "Flower Thief" (1960)), mimt den sabbernden, geifernden Freak im Mad Scientist Stil überaus überzeugend. Das brachte ihm immerhin ein wenig Bekannt- und Beliebtheit ein und über Warhol (der für ihn das Wort "Superstar" erfunden haben soll) und Morrissey blieb er dem eher abwegigen Filmerlebnis treu und trat zuletzt in Lloyd Kaufmans "The Toxic Avenger IV" (2000) und Jim Jarmuschs "Coffe and Cigarettes" (2003) auf... Independet und Trash (besonders der aus dem Hause Troma) sind in gewisser Weise auch die konsequente Weiterentwicklung von Underground... neben Youtube und Myspace die immerhin die Möglichkeit geben eine eigene Szene zu errichten und seine Homemadevideos zu veröffentlichen - das nutzt auch der mittlerweile 82jährige Mead: http://www.myspace.com/taylormead1
Seine Darstellung des Atom Man bleibt noch am ehesten in Gedächtnis in ihrer ausgelassenen, spielfreudigen, albern-ungezwungenen Art. Dabei war sicherlich auch Meads Erscheinungsbild hilfreich: "Taylor Meade looks like a cross between a kewpie doll and Fred Astaire gone bad."2
Gleich danach ist Winifred Bryan (in ihrer einzigen Filmrolle) zu loben, die sehr natürlich die "Queen of Sheba verkörpert". Die pummelige Farbige gibt den exotisch-erotischen Stereotyp der halbnackt mit ihren Katzen dahinlebenden Schönheit recht überzeugend und steht Mead nur minimal nach... und Gina Lollobrigida als Sheba in King Vidors "Solomon and Sheba" (1959) - der Film dürfte bei Ron Rice Pate gestanden haben - überspielt sie sowieso problemlos.

Neben diesen beiden wirklich voll und ganz zufriedenstellenden Darstellerleistungen, der unbekümmert-natürlichen Erotik Bryans und der Mad Scientist Parodie Meads (der zudem auch als Buster Keaton und Chaplin Kopie ein paar Filmzitate bringen muss und das auch spielerisch schafft) wirkt die Regieleistung von Ron Rice (der auch für Drehbuch und Produktion verantwortlich ist) eher unbeholfen. Rice traf erst auf Vernon Zimmermann (der auch im Underground begonnen hat und mit "Fade to Black" (1980) später mainstreamfähig wurde ohne den fanatischen Filmfetisch des gemeinen Undergroundfilmers aufgeben zu müssen) und über diesen auf Mead, den Zimmernmann von einer Lesung her kannte. Beide halfen Rice bei seiner kurzen Karriere als Regisseur.

Das Drehbuch, das hier Wissenschaft und Naturverbundenheit aufeinanderprallen lässt um am Ende in einer ausgelassenen Party aufzugehen (in der Rice gleich noch ein paar gut gemeinte, aber letztlich eher platte sozialkritische Aussagen zwischenhaut) ist ganz nett, gibt aber keinen Stoff für 110 episodenhafte Minuten Film ab. Ursprünglich hatte der Film eine Länge von 180 Minuten, aber Rice entschschloss sich glücklicherweise dazu, einiges rauszuschneiden (obwohl ihm ursprünglich ein 3 Stunden Mammut-Epos vorschwebte). Nach einer Vorführung als Rohschnittfassung auf einer Benefizveranstaltung ließ Rice den Film einfach zurück und setzte sich für einige Zeit nach Mexiko ab. Hätte er "Queen of Sheba..." nochmal überarbeitet und auf 60 bis 80 Minuten gerafft, wäre das sicherlich sinnvoll gewesen. So macht sich neben ein paar hübsche Bildern (besonders die credits sind ganz nett geraten sowie die Szenen die geradezu den Humor der Monty Pythons vorwegnehmen) viel zu oft belangloses Geplänkel breit...
Insgesamt wirkt Rices Film so unbeholfen wie man es von Frühwerken anderer Kollegen gewohnt ist.... Wie Waters "Mondo Trasho" (1969) - auch bei Rice ist die komplette Tonspur geklaut, wenngleich etwas glücklicher eingesetzt - leiden einige geglückte Szenen schlicht und ergreifend unter dem Hang von Jungregisseuren lieber zuwenig als zuviel rauszuschneiden. (In den 80ern besserte Taylor Mead dann die Rohschnittfassung nochmal ein bisschen aus, nahm aber - wohl aus respekt vor Rice - keine größeren Änderungen vor und lieferte eher eine Restaurierung ab.)

Rice drehte danach nur noch "Chumlum" (1964) und starb 1964 dann an einer Lungenentzündung - 29jährig. Ohne seinen frühen Tod wäre eine ähnlich fruchtbare Entwicklung wie bei Waters sicherlich denkbar gewesen, wobei Rice mit seinen Filmzitaten und poesievollen Bildern und liebevollen Figurenzeichnungen wohl eher eine etwas künstlerischere, emotionalere Schiene eingeschlagen hätte.

So jedoch verbindet man Rice nur noch mit "The Queen of Sheba meets the Atom Man" oder vielleicht noch "The Flower Thief" (1960) und "Chumlum" (1964). Damals war der Film - wie bereits erwähnt - ein verhältnismäßig großer Erfolg. Das billig produzierte, größtenteils in Meads Wohnung gedrehte Werk lief auch in Rom und dort schrieb sogar ein Alberto Moravia wohlwollend "Ein Werk des Widerspruchs, das zugleich gewalttätig, kindlich und aufrichtig ist - ein Aufschrei gegen eine industrialisierte, auf dem Kreislauf von Produktion und Konsum basierende Welt."3 Und im Charles war Rices Film seinerzeit eines der bedeutendsten Underground-Werke und ein Klassiker im typischen Mekas-Programm.

Das kann über qualitative Mängel, einen etwas wirren Gesamteindruck und mangelnden Unterhaltungswert nicht hinwegtäuschen: schwache 4/10.

1.) Sheldon Renan: The Underground Film. Studio Vista London 1968, S. 198.
2.) Ebd.
3.) J. Hoberman, J. Rosenbaum: Mitternachtskino. Hanniball 1998, S. 48.

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