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Buenos Aires, 1945: Der Kasinobesitzer Mundson rettet dem Glücksspieler Johnny eines Abends das Leben. Johnny steigt daraufhin bei Mundson ein und arbeitet sich mit Stil und Härte schnell nach oben, bis zu Mundsons rechter Hand. Nach einer Reise kommt Mundson plötzlich verheiratet wieder: Gilda. Rothaarig. Sexy. Selbstbewusst. Freiheitsliebend. Schnell zeigt sich, dass Johnny und Gilda sich früher bereits kannten, und ihre damalige Liebe, die zu der jetzigen grundlegenden Abneigung geführt hat, gefährdet das feine Spiel Mundsons, der das Kasino nur als Tarnung für sehr viel größere Pläne führt. Mundson will auf keinen von beiden verzichten, doch als deutsche Spione seine Pläne gefährden eskaliert die angespannte Situation: Mundson begeht Selbstmord, Johnny wird sein Nachfolger, und Gilda …? Heiratet …

Aha, das ist also ein Klassiker. Einer der ganz großen Noirs, der das Genre wenn schon nicht mitbegründet, so doch auf jeden Fall mit geprägt hat. Auch auf die Gefahr hin, dass ich viel Schelte bekomme und gute Freundschaften verliere: So doll war das jetzt nicht, was ich da gesehen habe. Klar, Rita Hayworths Handschuh-Striptease ist megasexy, und klar, Schwarz und Weiß sind hervorragend gesetzt, gerade zu farbig, und wunderschön anzuschauen. Aber kann das denn schon alles sein? Die Kulissen waren voluminös überhöht und gerade dadurch bemerkenswert in ihrer Künstlichkeit. Artifizielle Kulissen, in denen sich Charaktere bewegen, die genauso wie das Außenrum immer nur so tun als ob. Die nie das sind was sie zu sein vorgeben, und deren Handlungen und Beziehungen untereinander immer einen doppelten Boden haben und sich ins Gegenteil verkehren (können). Die künstlich sind.
Johnny und Mundson: Johnny verehrt Mundson und wäre gerne wie er, aber es ist auch klar, dass Mundson Johnny nur ausnutzt. Sieht Johnny das wirklich nicht?
Mundson und Gilda: Selten eine Beziehung gesehen die auf so tönernen Füßen steht, und bei denen die Beteiligten sich gleichzeitig sicher sind, dass dieses Kartenhaus bis in alle Ewigkeit hält. Wer bitte glaubt ernsthaft, dass eine nach einem Tag Bekanntschaft geschlossene Hochzeit etwas taugt?
Johnny und Gilda: “Ich hasste sie so sehr, dass sie mir keine Minute aus dem Kopf ging.“ Hassliebe at its very best.  
Johnny und Onkel Pio: Auch so eine Art Hassliebe. Pio empfindet Johnny als bäuerisch und studiert dessen Werdegang, so wie er ein Insekt unter einem Mikroskop studieren würde.
Und da kommen wir dann zu den doppelten Böden der Charaktere: Onkel Pio rettet Johnny das Leben. Gilda gibt die promiskuitive Lebedame, die sie in Wirklichkeit gar nicht ist. Stattdessen tut sie so, als ob sie Johnny leidenschaftlich hasst (“Ich hasse dich so ungemein, dass ich sogar mich selbst zerstören würde, um dich kaputt zu machen.“), nur um ihn eigentlich zurückzugewinnen. Johnny wiederum eifert Mundson nach und wird auch tatsächlich wie sein großes Vorbild, und doch bittet er Gilda darum, dass sie ihn mitnimmt zurück nach Hause. Statt mondänem Nachtleben im Kasino in Buenos Aires, lieber braves Eheleben in Kleinstadt City?

Ich weiß nicht, mir sind da einfach zu viele Wendungen und Drehungen in den Personen und in ihren Handlungen, die aber nicht im Sinne eines Handlungstwists überraschend kommen, sondern künstlich und aufgesetzt wirken. Nur ausgerechnet Mundson ist genau das, was er zu sein vorgibt: Ein eiskalter Gangster, dessen einziges Ziel die Weltherrschaft ist. Die anderen Personen sehen alle aus wie Janusköpfe, die aus verschiedenen Blickwinkeln verschiedene Eigenschaften besitzen. Der ganze Film ist so ein Januskopf, sieht er doch manchmal aus wie ein Gangsterfilm, und ist doch “bloß“ ein gut fotografiertes Melodram mit einem tollen Ohrwurm und einer wirklich im Gedächtnis bleibenden Szene. Was mir persönlich einfach etwas zu wenig ist. Aber wahrscheinlich war es eh nur wieder mal die Sache mit der Erwartungshaltung, und eine irgendwann erfolgende Zweitsichtung liefert mehr Aufschluss …

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