Review

Vase de Noces ist das Spielfilmdebüt des Belgiers Thierry Zéno, welches er mit minimalem Budget auf ihm geschenkten Filmrollen gedreht hat, die eigentlich beim Militär eingesetzt werden und über eine recht knapp bemessene Länge verfügen. In stark kontrastierten Schwarz/Weiß-Bildern entwickelt Zéno eine träge Tristesse unterbrochen von wenigen drastischen Geschehnissen. Dialoge kommen nicht vor. Lediglich Musik und mit den Aufnahmen synchronisierte, stilisierte Atem- und Tiergeräusche bereichern die Akkustik.

Verschiedene Alternativtitel reduzieren Vase de Noces auf die Beziehung des Darstellers Dominique Garny zu einem Schwein, was dem Film nicht wirklich gerecht wird, auch wenn das Verständnis für Kunst an seine Grenzen stößt. Zwar wird durch geschickte Kameraperspektiven suggeriert, daß die Figur den Akt mit einer Sau vollzieht, jedoch geschieht dies lediglich im Sinnbild, ferner nur als ein Angelpunkt der Aufführung.
Strittiger sollte in diesem Zusammenhang die Schlachtung von Geflügel sein, deren Abbildung in Vase de Noces trotz der alltäglichen Notwendigkeit für unsere Ernährung diskussionsbedürftig bleibt. Gleichwohl kommen sedierte und bereits verstorbene Tiere zum Einsatz, ohne deren Positionierung die Erzählung nicht möglich gewesen wäre.
Die Würde des Tiers ist hier sicherlich nicht Thema der Darstellung. Andererseits verbindet an dieser Stelle eine starke Wurzel zum Kern des Films, der seinen vielseitig deutbaren Titel als apokalyptische Endzeitvision interpretiert zeigt und unterschwellig so dem Menschen seine Abgründe vor Augen führt.

Es ist eine stabile wie rauhe Oberfläche, über die Vase de Noces verfügt und die es dem Publikum ohne weiteres ermöglicht, sich an den gezeigten Szenen zu reiben, den Film abzulehnen oder wegen seines unkommentierten und schleppenden Tempos zu verurteilen. Es bleibt tatsächlich dem Zuschauer überlassen, diese Schicht zu durchbrechen und die Vielseitigkeit der oftmals religiös inspirierten Bilder zu ergründen.
Thierry Zéno läßt bereits den Ausgangspunkt offen, verschweigt, ob Dominique Garny einen Menschen, einen Mann, die Männer oder gar die Menschheit verkörpert. So lebt der Protagonist isoliert auf einem verfallenen Gehöft mit seinen Tieren, offenbart jedoch nicht, ob der oben erwähnte Akt mit dem Borstenvieh aufgrund der fruchtenden Vereinigung nicht doch Zeichen für seine Misogynie sein kann, die Sau also Symbol für eine herabgesetzte Stellung der Frau trotz gezeigter Zuneigung ist.

Sehr wohl aber bestimmt die essenzielle Bedeutung des Schlamms in Vase de Noces eine Verbindung zur Genesis, deren Niedergang wir hier Zeuge werden.
Dieser Adam steht am Ende einer Existenz, die tatsächlich Fragmente einer Gottesverehrung aufweist, ihn sogar instinktiv nach dem Himmel streben läßt, immer konfrontiert mit Grenzen und Fesseln, wie dem Ende einer Leiter oder der Schnur eines Drachen. Von dem Sinn und Zweck seiner Frondienste jedoch scheint die Figur entfremdet.
Pathologisch interessiert bewahrt der Protagonist Exponate seiner Umgebung in Gläsern auf, dokumentiert so nahezu wissenschaftlich den Verfall, den er aus eigener Kraft bis zur vollkommenen Selbstzerstörung vorantreibt. Am Ende bleibt es ihm nur noch Nesseln zu speisen, bis er seine eigenen Ausscheidungen fressend seinem Untergang entgegen siecht.

Vase de Noces ist ein sehr intimes und doch ganzheitlicheres Babylon, das vom Scheitern und hier nun auch totalitären Verfall und Untergang einer gesamten Kreation erzählt. Fraglos anstößig ruft Thierry Zéno mit seinem Werk doch auf, nicht nur ihn, sondern auch die Lebensart als solche und vor allem sich selbst in Frage zu stellen. Erschütternd ist wohl der zur Schau gestellte Pessimismus, dessen Endgültigkeit jegliche Hoffnung zu terminieren scheint. Fatalerweise kann man Zénos surrealer Psychose in der vulgären Reduktion auf Fressen, Ficken und Scheißen dabei schwerlich widersprechen.

Details
Ähnliche Filme