Review

Ridley Scott, der Mann fürs clevere Hollywood-Action-Kino, bietet mit seinem Irak-Thriller "Der Mann, der niemals lebte" eine spannende Agenten-Geschichte über die Jagd der CIA nach islamistischen Terroristen im Nahen Osten. Mit Leonardo DiCaprio und Russell Crowe bietet er dabei zwei erstklassig besetzte Hauptrollen, viel Action und durchaus kritische Töne zum Einsatz der USA in fremden Ländern.

Die Story ist so verzwickt und kompliziert wie das echte Leben. DiCaprio überzeugt als harter CIA-Agent, der im Nahen Osten unterwegs ist, um Kontakt zu Strohmännern aufzubauen, den Spuren verdächtiger Terroristen zu folgen und "sichere Häuser" der Terrororganisationen aufzuspüren und auszuschalten. Dass er dabei sehr ruppig mit seinen einheimischen Helfern umgeht und schon mal eigentlich Unbeteiligte mit hinein zieht und liquidiert, wenn sie ihm unangenehm werden, lässt seinen Charakter sehr widersprüchlich und komplex erscheinen. Auf der einen Seite fiebert man mit ihm mit, auf der anderen kommt man unweigerlich ins Grübeln, wenn man sieht, mit welcher Herrenmenschen-Arroganz die amerikanischen Einsatzkräfte im Irak und benachbarten Ländern ihre Ziele ohne Rücksicht auf die Bevölkerung verfolgen.

Russell Crowe stiehlt seinem Schauspielkollegen als zynischer CIA-Einsatzleiter, der die Ereignisse aus Washington beobachtet und koordiniert - und wiederum nach seinem Gutdünken beeinflusst - beinahe die Show: Mit seiner Kaltschnäuzigkeit und rücksichtslosen Pragmatik zeichnet er das Bild eines Machtmenschen, der bereit ist, für seine Ziele über Leichen zu gehen - so lange er selbst sich nicht die Hände schmutzig machen muss.

Schon durch die Figurencharakteristik zeigt der Film das Bild eines verdeckten Krieges, der von testosterongeschwängerten, machohaften Männern geführt wird, denen nichts an Attributen wie Mitmenschlichkeit, Emotionalität oder Frieden liegt. Der Krieg gegen den Terror wird als dreckige Schlacht zwischen gleichermaßen extremen Ideologien dargestellt, in der immer wieder Unschuldige die Opfer sind. Damit unternimmt "Der Mann, der niemals lebte" eine der kritischsten Reflexionen des Irakkriegs, den das Hollywood-Kino zu bieten hat.

Dass er daneben noch als spannender Agenten-Thriller mit satten Actionszenen, souveräner Kamera, rasanten Schnitten und schweißtreibender Spannungsmusik für eine gehörige Portion Unterhaltung sorgt, zeigt das künstlerische Können, mit dem Ridley Scott schon seit vielen Jahren arbeitet. Hier gelingt ihm eine wirklich gute Kombination aus spannendem Mainstream-Kracher und kritischer Darstellung politischer und gesellschaftlicher Tatsachen. Da kann man kleine Schwächen gerne verzeihen: Dass die Einleitung beispielsweise etwas zu schnell inszeniert ist und man Schwierigkeiten hat, in die Story mit ihren zahllosen gegeneinander agierenden Figuren einzusteigen; oder dass es der Film bei allem Engagement wohl kaum schafft, soziale Realitäten des Lebens im Nahen Osten näherzubringen. Auch ist die eine oder andere Wendung nicht ganz nachvollziehbar, was wohl an der schwierigen Figurenkonstellation liegen dürfte. Insgesamt besticht "Der Mann, der niemals lebte" dennoch als spannender und actionreicher Kracher über einen der schmutzigsten Kriege unserer Zeit.

Details
Ähnliche Filme