Otfried Preußlers Meisterwerk "Krabat" ist eines der Bücher, die besser nie verfilmt worden wären. Es ist schlicht unmöglich, diese einzigartig faszinierende Atmosphäre in Bilder oder Drehbücher zu transportieren. So scheitert auch Marco Kreuzpaintners Versuch bei allen guten Ansätzen letztlich doch eindeutig an der Größe der Aufgabe, auch wenn die Kritiken - sogar von Preußler selbst - unverständlich wohlwollend ausfallen.
Die Fehler beginnen mit der völlig unzureichenden Einführung des Schauplatzes. Die Mühle im Koselbruch ist im Buch eine einzigartige Symbiose aus idyllischem Schutzraum und unterschwelliger Bedrohung; der erste Aspekt wird im Film leider zu keiner Zeit wirklich spürbar. Gerade im ersten Abschnitt des Films hätte es sich angeboten, die Mühle aus der Innensicht freundlicher zu zeichnen und sie von der Sicht der Bewohner von Schwarzkollm abzuheben, die den Koselbruch fürchten, ohne wirklich zu wissen warum.
Die Figurenzeichnung schwankt zwischen sehr schlecht und sehr gut. Daniel Brühl als Tonda ist leider eine glatte Fehlbesetzung und nimmt der Geschichte von Anfang an einen Großteil ihrer Faszination! Der Tonda des Buches ist erwachsener als alle anderen Burschen, väterlich und besonnen, dennoch umgibt ihn ein Geheimnis, ein schwermütiger Zug. Nicht umsonst hat er im Roman von Beginn an weiße Haare, obwohl er noch nicht alt ist. Brühl kann keine dieser Charaktereigenschaften überzeugend transportieren, dem smarten Schauspiel-Jungprofi mit den leicht femininen Gesichtszügen fehlt es für meinen Geschmack an jeglicher Autorität. Der Meister ist in den mystischen Szenen hervorragend umgesetzt, in den Alltagsszenen wirkt er unnötig negativ - im Buch ist er nämlich keineswegs immer ein Außenseiter unter den Gesellen, sondern gelegentlich auch ein kultivierter, charismatischer Hausherr. Gerade mit Krabat verbindet ihn ein ausgeprägtes Lehrer-Schüler-Verhältnis, dieser Aspekt wird im Film erst ganz zum Schluss kurz angerissen und vermag nicht mehr zu wirken.
Krabat ist so gut umgesetzt, wie es eben geht, sprich: mäßig. Der junge Krabat ist dabei noch überzeugend, aber dass die Gesellen - auch in ihrer Persönlichkeit - schneller altern als andere Menschen, kann ein albernes Oberlippenbärtchen nicht ausdrücken. Dass Krabat im Buch zuletzt bis zum Altgesellen, zum "Tonda" Loboschs und zum gefährlichsten Gegner des Meisters aufsteigt, fällt komplett unter den Tisch. Auch die spezifischen Charakterzüge und großen Fähigkeiten der übrigen Gesellen werden viel zu selten gezeigt. Auch die Komik kommt klar zu kurz, etwa die Szene, als Juro als Pferd auf dem Markt verkauft wird.
Jener Juro ist die wohl beste Figur, ihn kann man nicht viel besser treffen. Sein Training mit Krabat nimmt aber einen lächerlich geringen Platz im Umfang des Filmes ein, dabei ist genau dies die Spannungsquelle Nummer eins: Wird Krabat stark genug werden, sich am Tag der Entscheidung dem Willen des Meisters zu widersetzen? Dass die Bedeutung des Haarringes bei diesem Ziel vollständig ignoriert wird, ist ein unverzeihlicher Fehler!
Das Ende der Geschichte geht dann vollends in die Hose. In der entscheidenden Szene mit der (hervorragend besetzten) Kantorka und den 12 Raben kann man aufgrund der schlechten Kameraarbeit kaum etwas erkennen, der Angriff der Raben auf den Meister ist vollkommen unsinnig, das Ende des Meisters bleibt vage. Regelrecht peinlich ist die dilettantisch gemachte Explosion der Mühle; ein bloßes Feuer wäre um ein Vielfaches stimmungsvoller gewesen.
Fazit: Der Film wäre vielleicht als Grundlage für einen sorgfältiger umgesetzten Mehrteiler geeignet, der sich viel mehr Zeit für eine ausreichende Charakterisierung nimmt. Dazu müsste noch der eine oder andere Schauspieler ausgetauscht werden, die Fimmusik das hier gebotene 08/15-Niveau übersteigen, die Opposition zwischen Okkultismus auf der einen und dem unbestimmten "Reinen" (Stichwort Osterprozession) auf der anderen Seite geschärft werden, und, und, und. In der jetzigen Form ist der Film eine Enttäuschung! Wer das Buch nicht kennt, soll wissen, dass es noch einen viel großartigeren "Krabat" gibt als diesen Film!