Review

Weltkrieg 2 - Anfang der 40er Jahre. Das Leben findet unter der Erde statt. Während an der Oberfläche die auf London fallenden Bomben alles einschränken, versuchen die Menschen in den U-Bahn-Schächten noch ein Stück Individualität zu ergattern. Darunter auch die beiden sehr unterschiedlichen Männer Dylan Thomas (Matthew Rhys), ein intellektueller Dichter, der sich vom Wehrdienst gedrückt hat, und William Killick (Cillian Murphy), der als junger Offizier seinem baldigen Einsatz entgegen sieht. Beide lauschen fasziniert der schönen Sängerin Vera (Keira Knightley), die mit ihren verruchten Gesängen die Männerherzen verführt.

Dylan Thomas hat in dieser Hinsicht einen deutlichen Vorsprung, denn während William erst versucht, Kontakt zu Vera aufzunehmen, fällt diese Dylan in die Arme. Beide sind zusammen in Wales aufgewachsen und erlebten gemeinsam ihre erste Liebe. Doch Veras Freude über das Wiedersehen mit dem originellen und charmanten Lebemann wird kurz danach eingetrübt, als sie die attraktive, lebenslustige Caitlin (Sienna Miller) kennen lernt, die sich als Dylans Frau herausstellt. Trotzdem nimmt sie das Paar in ihrer winzigen Wohnung auf, nachdem diese bei Caitlins Schwester rausgeflogen waren, und es entwickelt sich eine erotisch angehauchte Troika, zu der sich zunehmend William hinzu gesellt, so dass die Vier Tage des hedonistischen Auslebens inmitten des Krieges erleben. Bis dieser diese Konstellation zerstört, William an die Front muss und Empfindlichkeiten in den Beziehungen untereinander, die bisher verdrängt wurden, das filigrane Beziehungsgeflecht zu zerstören drohen...

„The Edge of Love“ bietet ein erhebliches Spannungspotential, bestehend aus verwirrten Gefühlen, erotischer Anziehungskraft und der Suche nach Verlässlichkeit in schwierigen Zeiten. Dylan kann sich nicht zwischen seiner Frau Caitlin und Vera entscheiden, die für ihn die Sehnsüchte seiner Jugend verkörpert, die angesichts des tristen Alltags, der von Hunger und Armut geprägt ist, noch an Anziehungskraft gewinnt, und möchte am liebsten beide Frauen um sich haben. Vera freundet sich mit Caitlin an, hegt immer noch Gefühle für Dylan, liebt aber auch William, der wiederum ansehen muss, dass Dylan bei seiner Frau bleiben kann, während er in den Krieg ziehen muss. Als diese ausgerechnet während seines Frontaufenthaltes ein Kind erwartet, zweifelt er an seiner Vaterschaft. Und Caitlin pendelt zwischen den Gefühlen für ihren Mann und denen zu ihrer Freundin Vera, deren Beziehung zu Dylan sie nicht einschätzen kann.

Was hier so verwirrend klingt, baut der Film in ruhigen Bildern und in den inneren Zusammenhängen nachvollziehbar auf, aber er scheitert an der emotionalen Ebene. Das beginnt schon bei Keira Knightley, deren klares Gesicht zuletzt in die „Herzogin“ überzeugend ihr verborgenen Gefühle unter der äußeren Disziplin nachempfinden ließ, die aber an der ambivalenten Rolle der Vera scheitert. Schon die Marlene-Dietrich-Rolle als Nachtclub-Sängerin nimmt man ihr nicht ab, aber noch weniger spürt man ihre zentrale Position als „Love-Interest“ für drei Personen. Dazu spielt sie zu glatt und zurückhaltend. Sienna Miller kann besser eine gewisse Wildheit und Ungezähmtheit verkörpern, bleibt aber zu eindimensional und nimmt in der Viererkonstellation eher eine Außenseiterposition ein, während Matthew Rhys sich alle Mühe gibt, den unangepassten Freigeist zu mimen, der zwei Frauen als angemessen für sich ansieht, während der Handlung aber zunehmend an Bedeutung verliert. Diese gewinnt stattdessen Cillian Murphy hinzu, der in seiner nur an Vera interessierten Emotion der langweiligste Charakter ist, dessen konservative Haltung sich letztlich aber durchsetzt.

Damit verliert der Film jegliche ambivalente Reputation, da er keinen der Konflikte zu einer echten Auseinandersetzung nutzt und zum Schluss eindeutiger wird als er es lange Zeit zu behaupten vorgibt. Zu Beginn noch ein liberales, freies Leben propagierend, dass sich auch während des Krieges und unter schwierigen Bedingungen nicht unterkriegen lässt, dessen Qualität und Attraktivität die Darsteller aber nicht wirklich vermitteln können, später - nach Williams Mobilmachung – zunehmend die ärmlichen Verhältnisse anprangernd, in denen sich die Heimgebliebenen schmarotzerhaft mit Williams Geld durchschlagen, während dieser fürs Vaterland kämpft. Williams Überreaktion nach seiner Rückkehr, dessen schwache Konsequenz zudem noch den fehlenden Mut des Films verdeutlicht, wird trotz aufwändiger Gerichtsverhandlung moralisch legitimiert.

Optisch ist „The Edge of Love“ sehr gut umgesetzt und man spürt die Ambitionen der Beteiligten, aber selten wurden gute Ansätze zu wenig genutzt (3/10).

Details
Ähnliche Filme