Review

Blutiges Erwachen

Es ist der frühe Morgen des Neujahrstages, als Helen mit dröhnendem Schädel und einem mörderischen Kater zu sich kommt. Die Erinnerungen an letzte Nacht sind noch sehr verschwommen, doch dies soll sich bald als das geringste Problem der jungen Frau erweisen. Als sie merkwürdige Geräusche von außerhalb vernimmt, tritt Helen benommen ans Fenster und wird eines unbeschreiblichen Schreckensszenarios ansichtig: Die Stromversorgung der gesamten Stadt scheint zusammengebrochen, Feuer lodert in den Straßen, Schüße fallen und dutzende Menschen taumeln wie in Trance umher. Als es zu allem Überfluss plötzlich wie wild an ihre Tür hämmert, bleibt der noch immer benebelten Helen nichts anderes übrig, als ihre Wohnung unter Panik zu verlassen und sich so schnell wie möglich ein neues Versteck zu suchen. Was folgt ist ein unbarmherziger Kampf ums Überleben, in dessen Verlauf sich die junge Frau an immer mehr Ereignisse des vergangenen Abends erinnern kann, die mit den jetzigen Vorgängen in direkter Verbindung zu stehen scheinen...


Mit Serie Masters of Horror gelang es dem horrorerfahrenen Filmemacher Mick Garris im Jahr 2005, das Konzept des "Anthology"-Formats wieder salonfähig zu machen. Von den Fans enthusiastisch verfolgt, inszenierten dabei zahlreiche bekannte Vertreter der Horrorszene in insgesamt zwei Staffeln jeweils etwa einstündige und vor allem eigenständige Horrorgeschichte, die mal mehr und mal weniger zu gefallen wussten, Masters of Horror aber ohne Frage zum Pflichtprogramm für Genrefans erhoben. Nach einigen Komplikationen mit dem amerikanischen TV-Sender Showtime wurde die beliebte Serie im Jahr 2007 schließlich eingestellt, doch Mick Garris hielt weiterhin an dem populären Konzept fest und rief kurzerhand die Nachfolge-Anthology Fear Itself ins Leben, die im Großen und Ganzen dem von seiner vorheriger Show festgelegten Regelwerk folgt, auch wenn den einzelnen Episoden nunmehr ein zeitliches Limit von ca. 40 Minuten gesetzt war. Dies hielt das Fear Itself-Konzept jedoch nicht davon ab, erneut das Interesse einiger namenhafter Horrorgrößen zu wecken, was bis zum heutigen Zeitpunkt 9 Episoden und einen durchaus respektablen Ruf unter den Fans nach sich zog.

Für die sechste Episode, New Year's Day, die hierzulande als Blutiges Erwachen vermarktet wird, nahm dabei niemand Geringeres als Darren Lynn Bousman auf dem Regiestuhl Platz, der sich durch seine fleißige Beteiligung am Saw-Franchise längst zu einem der bekanntesten Horror-Regisseure unserer Zeit mausern konnte und bei dessen Beitrag die Erwartungen dementsprechend hoch angesetzt waren. Blutiges Erwachen sollte für Bousman eine kleine Fingerübung in thematischem Neuland darstellen, denn während der Regisseur ansonsten überwiegend mit den erwähnten Torture-Thrillern in Verbindung gebracht wird, präsentiert sich sein 41 minütiger Ausflug in die Serienwelt als klassischer Infizierten-Horror in der Tradition von 28 Days Later, der in den letzten Jahren zwar schon reichlich und oft kopiert wurde, aus dem aber bei einem Mindestmaß an Innovation und Kreativität sicherlich noch interessante Storyvariationen zu schöpfen sind. Letzten Endes ist Bousman's Blutiges Erwachen aber so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was er hätte sein können, denn statt eines finsteren, blutigen und beklemmenden Endzeitszenarios bietet der Kurzfilm eine überraschend spannungsarme und von einer platten Story vorangetriebene Anhäufung von Klischees und Belanglosigkeiten, der man in dieser Form nur mit Mühe und Not noch eine Existenzberechtigung zusprechen kann.

Sicherlich müssen die Erwartungen bei einem derart kurzen Film generell heruntergeschraubt oder zumindest anderweitig gesetzt werden, doch andererseits liegt es einzig und allein in den Händen der Verantwortlichen, ihre Story funktional auf eine unkonventionelle Laufzeit auszulegen. Gerade in diesem Bereich scheinen die mit dieser Aufgabe betrauten Drehbuchautoren Steve Niles und Ben Sokolowski dann allerdings reichlich überfordert, zeigt sich ihre Adaption der von Paul Kane verfassten Kurzgeschichte "Dead Time" doch selbst in den vorgegebenen 40 Minuten über weite Strecken lahm und höhepunktslos. Im Zentrum des Geschehens steht dabei die Mittzwanzigerin Helen, deren Liebe zu ihrem Schwarm James trotz blendenden Aussehens und überdurchschnittlicher Intelligenz unerreicht bleibt und die nicht nur damit so ziemlich Hollywoods realitätsfernen Außenseiter-Klischee entspricht. Im steten Wechsel zwischen Helens Überlebenskampf inmitten der Zombie-Apokalypse und ihren Erinnerungen an die folgenschweren Party der letzten Nacht, versucht sich Blutiges Erwachen an einer bestmöglichen Charakterisierung seiner primären Figuren, arbeitet mit seiner sehr simplen Story aber lediglich auf einen für Bousman typischen und in diesem Fall außerordentlich absurden Twist am Ende des Films hin. Die Spannung im Hauptteil wird dagegen schmählich vernachlässigt, da die Episode nicht nur in ihren zahlreichen Rückblenden, sondern auch während der Zombie-Epidemie rein gar nichts bietet, was man in dieser Form nicht schon dutzendfach besser gesehen hätte.

Hier und da mal eine angeknabberte Leiche oder ein grimmig dreinblickender Infizierter, darüber hinaus geschieht hier allerdings nur wenig von Belang, zumal der Regisseur den Schrecken dann mit seinem obligatorischen Stilmittel, dem Publikum durchgehend epileptische Schnittfolgen im Sekundentakt vorzusetzen, endgültig um jedes Fundament beraubt. Blutiges Erwachen ist platter Horror für die MTV-Generation, von der eine längere Szene ohne flashiges Editing oder anderweitig abgefahrene Kameraspielereien bereits als langweilig angesehen wird, beraubt sich aber gerade damit jeden Anflugs von Sympathie oder Atmosphäre. Der letztendliche Storytwist wird derweil wohl manch einen schwer begeistern, kommt im Grunde aber einfach nur blödsinnig und außerordentlich selbstzweckhaft daher und wird den versierten Genrekenner ebensowenig begeistern wie ein lediglich aufs Nötigste beschränkte Goregehalt, bei dem einer Freigabe ab 16 Jahren somit nichts im Wege stand. Schon geringfügig überzeugender treten da die Schauspieler auf, denen man ihre Rolle durchweg abkauft, die aber hierzulande eine abschreckend schlechte Synchronisation aufgedrückt bekamen, weshalb im Falle von Blutiges Erwachen wieder einmal der im Vorteil ist, der die nötigen Englischkenntnisse für den O-Ton mitbringt. Ist diese Voraussetzung allerdings gegeben, dann lässt sich an den schauspielerischen Darbietungen wenig aussetzen, denn gerade die aus Step Up 2: The Streets bekannte Briana Evigan spielt die einzelnen Nuancen ihrer Hauptrolle glaubhaft heraus.

Zusammenfassend hat der sechste, von Darren Lynn Bousman inszenierte Beitrag zur Fear Itself-Anthology der Infizierten-Thematik somit keine interessanten Ansätze hinzuzufügen und präsentiert seine dünne Story vielmehr als bloßes Beiwerk für einen ebenso aufgesetzten wie gewöhnungsbedürftigen Schlusstwist. Inszenatorisch gleicht die Episode einem nervtötenden LSD-Trip, der jeden Ansatz von Atmosphäre zunichte macht und bei dem zweifellos weit übers Ziel hinausgeschossen wurde. Einzig ein ordentlich aufspielender Cast und ein niemals gänzlich erlischender Unterhaltungswert stimmen ein hinter seinen Erwartungen zurückgelassenes Publikum letztendlich wieder halbwegs versöhnlich, retten Blutiges Erwachen allerdings auch nicht mehr ins solide Mittelfeld.

4/10


Fear Itself: New Year's Day
USA/Kanada 2008, 41 Min.
Freigabe: FSK 16
Regie: Darren Lynn Bousman

Darsteller: Briana Evigan, Zulay Henao, Niall Matter, Cory Monteith, Shelene Yung, J. LaRose, Pauline Repond, Consuelo van Doorn, Cliff Likness, Paula Humby, Kirklin Maclise, Maria van Steenoven

Details
Ähnliche Filme