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Spoilerwarnung

Daß des Mannes Lieblingsspielzeuge Frauen und Autos sind, dürfte als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Der Junge Nachwuchsrennfahrer Mitch ist jedenfalls keine Ausnahme - dumm nur, daß er bei einem Rennen über seinen eigenen Ehrgeiz stolpert und dabei seinen fahrbaren Untersatz schrottet. Anstatt aber den väterlichen Rat zu beherzigen und sich in Selbstkontrolle und Mäßigung zu üben, ist er nun besessen davon, einen besseren Job zu finden, der ihm die Finanzierung eines neuen Rennwagens ermöglichen soll.
Und weil amerikanische TV-Filme für gewöhnlich der moralischen Belehrung des Publikums dienen, läßt sich Mitch prompt bei dem dubiosen Millionär Frank Chase als Mechaniker anstellen, der Aufgrund seiner Waffengeschäfte bereits ins Blickfeld des FBI geraten ist. Daß Mitch nicht nur die Autos, sondern nebenbei auch noch das attraktive Töchterlein des Schurken versorgt, verkompliziert die Sache zusätzlich.

Kenner von Tarantinos DEATH PROOF oder Cronenbergs hochintellektuellem CRASH wissen natürlich, daß die Grenzen vom Autokult zum Fetischismus fließend sind - entsprechend ausführlich werden die zahlreichen auserlesenen Traumkarossen dann auch präsentiert. Wenn die hübsche Taylor Cole in einem Shelby Cobra vorfährt dürfte jedenfalls das Herz eines jeden Autonarren höher schlagen. Daß der Kameramann von Miss Coles Fahrgestell ohnehin sichtlich fasziniert war, läßt sich ebenfalls nicht bestreiten, allerdings gleitet FINISH LINE aus Rücksicht auf das Konservative Fernsehpublikum natürlich nicht in eine Tarantinoeske Fußbeschau ab. Im Gegenteil erweist sich Mitchs Love-Interest im weiteren Verlauf nicht als holde Jungfrau, die vor dem Drachen gerettet werden muss, sondern als hinterhältige Verbündete des drachenbösen Mannes.
In diesem Sinne macht Mitch einen Lernprozess durch, der ihn in die Welt von Luxus, Macht und Sex, aber auch des Verbrechens führt, damit er seinen Platz in der Gesellschaft findet und am Ende geläutert zu seinem als schwache Figur angelegten Vater zurückfindet. Schuster bleib bei deinen Leisten!

Das muss sich auch Regisseur Gerry Lively gedacht haben, der, nachdem er in etlichen Filmen damit scheiterte, mit geringem Budget große Blockbuster zu imitieren, nun wieder das tut, was er kann: kleine, aber einigermaßen sorgfältig inszenierte Durchschnittsware (nicht abwertend gemeint!) präsentieren.
Natürlich sind die zahlreichen Verfolgungsjagden technisch nicht gerade gelungen, mit hektischen Schnittfolgen und Wackelkamera soll notdürftig kaschiert werden, daß eher langsam gefahren wird, damit den Autos nichts passiert. Teilweise wird auch einfach das Bild ein wenig beschleunigt.
Andererseits verzichtet das Drehbuch auf allzu unglaubwürdige Kapriolen und sorgt, nachdem Mitch vom FBI zu Spitzeltätigkeiten genötigt wird, für ausreichend Spannung. Positiv hervorzuheben ist auch die Filmmusik, die glücklicherweise nicht aus dem für derartige Produktionen üblichen Synthesizer-Gedudel besteht, sondern aus einem flotten Heavy-Metal-Stück.
In der dichtesten Sequenz des Films, einer ordentlichen Parallelmontage in der Mitch mit der Gangstertochter im Bett landet, während der schurkische Ersatzvater auf der Veranda einen Informanten zu Tode foltert, werden musikalisch sogar Erinnerungen an "Angel" von Massive Attack wach.

Damit geht der Film zwar nicht als Sieger, aber doch im soliden Mittelfeld der TV- bzw. Videothekenware über die FINISH LINE.

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