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Nach dem Tod der Mutter erben die drei erwachsenen Kinder das Anwesen, vollgestopft mit wertvollem antiken Mobiliar, Tagebüchern und Gemälden des berühmten Künstler-Onkels. Sohn Frederic gibt sich dem Trugschluss hin, den Nachlass zu erhalten und eines Tages an seine Kinder, und an die seiner Geschwister, weiterzugeben. Doch Frederics Geschwister, die jeweils mitsamt ihrer Familie im Ausland leben und arbeiten und langsam die Bindung an die alte Heimat Frankreich verlieren, wollen das Haus mitsamt der meisten Erbstücke veräußern. Dies wird dann auch in die Wege geleitet...

Auf den ersten Blick simpel anmutender, beim genaueren Nachdenken aber hochkomplexer Film über die Demontage dessen, was von einem Leben übrig geblieben ist, über das Verschwimmen des Familien- und Zuhause-Begriffes in Zeiten der Globalisierung, über von totaler Entwurzelung betroffene Kindeskinder, über die Wertvorstellungen der ganz jungen Generation, über den unterbewussten Wunsch, nicht die Vergangenheit, sondern ein idealisiertes Erinnerungsbild der Vergangenheit zu konservieren, darüber, dass Voranschreiten/Zukunft manchmal erfordert, mit dem Vergangenen abzuschließen. Und in letzter Konsequenz ein im Gegensatz zu "Benjamin Button" intelligenter und unsentimentaler Film über Vergänglichkeit und den ganz normalen Wandel, wenn die Zeit voranschreitet.

Olivier Assayas größter Verdienst ist die Subtilität, mit der er seine Sujets kommuniziert in diesem perfekt beobachteten Film. Mit seinen Anliegen geht er nicht Hausieren a la Michael Haneke, sondern lässt sie vom Zuschauer quasi am Wegesrand der Erzählung aufsammeln und im Kopf zu einem Gesamtbild formen. "L' heure d'été" glänzt unter anderem auch fein geschriebene, versteckt aufschlussreiche Dialoge und präzise Figuren-Zeichnung. Beachtlich auch, dass Assayas blendend inszeniertes Werk trotz des scher verdaulichen Themas frei von Pathos, Kitsch und billigen Sentimenten ist und sich anstatt dessen eine Stimmung ehrlicher Melancholie entfaltet. Komischerweise ist die wehmütigste Szene des Films auch die erbaulichste; nämlich als die Kindeskinder im leer geräumten Haus eine Party feiern. Alles ist OK, scheint der Film zu sagen, Wandel und ein Kommen und Gehen von Epochen und Werten sind das Normalste auf der Welt.

Blöd für mich nur, dass ich aufgrund der Dialoglastigkeit (und des recht schnellen Sprechens) vieler Sequenzen bisweilen mehr mit Untertitel-Lesen denn mit Sehen beschäftigt war. Aber das soll nicht das Problem des Films sein.

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