Review

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Vorab: Ich habe genau eine Stunde und 46 Minuten gebraucht, um zum absoluten Dr. Aleman Fan zu werden.  Nachdem ich ganz naiv und unvorbereitet in die Premiere auf dem Festival von Karlovy Vary geraten war, dauert es  mehrere tschechische Biere lang, bis ich halbwegs die Sprache wiedergefunden hatte. (Verzeihung, wenn mein erster Kommentar hier entsprechend gestammelt war)   Vielleicht lag das daran, dass ich mich plötzlich selbst auf der Leinwand gesehen hatte. Aber ich nehme an, das dürfte auch vielen anderen so ergehen, wenn sie jemals nur mit dem Gedanken gespielt haben, für eine Weile ins Ausland zu gehen. Denn davon handelt dieser Film: 


Der "Dr. Aleman"  ist ein deutscher Medizinstudent, der sein praktisches Jahr im Ausland macht und dabei mit so einigen heftigen Dingen zu tun bekommt, die er in seiner Heimat wohl ins Reich der Räuberpistolen verwiesen hätte. Konkret befindet er sich in Kolumbien, doch das spielt eigentlich gar keine Rolle, denn was ihm hier geschieht, könnte jedem, zumindest jedem deutschen Studenten, überall auf der Welt geschehen. Und was ihm geschieht, hat wohl viel mit seiner Haltung zu tun:  Er ist neugierig, völlig offen für die neue Welt, fest entschlossen, alle Vorurteile zusammen mit der aus ihnen resultierenden Angst zu ignorieren.

Deswegen will ich hier auch gar nicht viel über Bilder und Erzähltechnik sprechen, der Film ist Kino mit allem Drum und Dran. Aber was "Dr. Aleman" für mich so eindrucksvoll macht, ist die Konsequenz, mit der seine Hauptfigur (ein absolut brillianter August Diehl, in der Originalfassung souverän spanisch sprechend) seinem Vorsatz der Offenheit folgt. Das an "City of God" erinnernde Viertel, in das er sich hineinbegibt, ist genau der richtige Nährboden für unsere mehr oder weniger heimliche sozialromantische Fantasie, dass eine arme Welt auch irgendwie ein bessere, "echtere" sein muss.  (Warum sonst sind wir denn alle in "City of God" gerannt? Geballert wird doch auch woanders, oder?) Eigentlich ist dieser Film, so exotisch seine Handlungsorte sind, ein genauso liebevolles wie gnadenloses Portrait eines Deutschen unserer Generation. Denn was dem Dr Aleman zum Verhängnis wird, ist dieser groteske Wunsch, die eigenen Wurzeln
einfach ablegen und "einer von ihnen" sein zu wollen. Dabei verliert er immer mehr die Distanz, und die ganzen schönen humanistischen  Ideale verkehren sich ins Gegenteil. Und ich muss sagen, dass ich in diesem Zusammenhang das Ende genauso schmerzlich wie wahrhaftig finde.

Zuhause sitzen und klug reden können wir alle. Aber tragen die klugen Worte auch noch, wenn plötzlich um uns herum alles ganz anders ist? Meiner Erfahrung nach, nach all den radikalen Meinungswechseln, nach all den haltlosen Aggressionsausbrüchen, die ich bei Internationalen Helfern überall auf der Welt erlebt habe, sehr wenig.  Es ist auf eine brachiale Weise erleichternd für mich, dieses Phänomen zum ersten Mal in einem Film wiedergespiegelt zu sehen. 
Am 14 August ist Kinostart in Deutschland. Ich wünsche diesem einmaligen Film viel Glück und eine große Zukunft.


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