In internationaler Co-Produktion verfilmt der Hollywoodregisseur Paul Schrader einen israelischen Roman aus den 60ern über die fiktive Leidensgeschichte eines jüdischen Bühnenmagiers und KZ-Überlebenden: Jeff Goldblum gibt die (Original-)Titelfigur Adam Stein, der im Deutschland der 30er ein erfolgreicher Entertainer ist, seine Familie in der Shoah verliert und selbst ein ungeheures Martyrium durchmacht, bevor er in den 60ern in Israel in eine experimentelle Nervenheilanstalt eingewiesen wird – und hier Wunder vollbringt und anderen Mitpatienten hilft.
Die Geschichte sprüht vor originellen und ungewöhnlichen Einfällen, zeigt skurrile bis bizarre Figuren, die unter den Traumata ihrer Erlebnisse zu leiden haben, und folgt dem ebenso exzentrischen wie gebrochenen Adam durch seinen ereignisreichen Alltag sowie – in Rückblenden – durch die Hölle, durch die er gegangen ist. Das alles wird von fesselnden Darstellenden getragen – allen voran Goldblum, der die fiebrige Getriebenheit seines Charakters ausdrucksstark, intensiv und temporeich umsetzt und so den gesamten Film trägt – bis auf wenige ungeschickte Kamerazooms oder Schnittmontagen formal souverän umgesetzt und in einem guten Tempo erzählt (nicht zu schnell, aber auch nicht so langsam, dass es langweilig werden könnte).
Und trotzdem erweist sich „Ein Leben für ein Leben“ als ziemlich Reinfall. Zum einen leistet sich der Film permanent dramaturgische Patzer: Anstatt Spannung aufzubauen und die teils bizarren Details, die immer wieder erwähnt werden, erst nach und nach zu erklären, wird jedes Mal, wenn etwas derartiges auftritt, sogleich eine Rückblende eingefügt, die erläutert, wie es dazu kam – etwa Steins extremes Ausrasten, als er hört, ein Hund könne in der Anstalt sein (oder überhaupt sein schwieriges Verhältnis zu Hunden, das mit einer in ihn verliebten Pflegerin in eine der bizarrsten Sexszenen des Mainstreamkinos der 2000er mündet). So verpufft jeder Anflug von Spannung und Interesse ziemlich schnell wieder, weil alle seltsam wirkenden Elemente schnellstmöglich erklärt und psychologisch recht platt dargelegt werden.
Auch geraten die Rückblenden leider ziemlich unbedarft. Zu keinem Zeitpunkt gelingt es dem Film, das Grauen der Vernichtungslager irgendwie zu fassen. Mehr als einen Zug voller Juden, der im Lager ankommt, und Massen von Menschen, die in ein Gebäude getrieben werden, wird vom Lagerleben nicht gezeigt; Steins Martyrium, so grausam sadistisch und unendlich entmenschlichend es auch ist, bleibt ein Sonderfall, der mit der Realität der Shoah herzlich wenig zu tun hat. Überraschenderweise gelingt es auch dem großen Willem Dafoe nicht, seine Rolle als einst lebensmüder, nun sadistischer Herrenmenschen-Lust frönender Nazi glaubhaft zu verkörpern – zu gestelzt und theatralisch bleiben seine Dialoge, zu zusammenhanglos seine jeweiligen Gemütszustände. Zwar sind die Szenen, in denen er Stein zum menschlichen Hund abrichtet, aufgrund ihrer unfassbaren Entwürdigung kaum zu ertragen, aber darstellerisch funkt es zwischen den beiden zu keinem Zeitpunkt, sodass ihre toxische Beziehung blass und theoretisch bleibt.
Unangenehm fallen auch die devoten Frauenrollen auf, die später selbst zu jeder Erniedrigung bereit sind, um von Stein sexuell befriedigt zu werden (plumpe Männerfantasien, die in einer solchen Geschichte wirklich gar nichts zu suchen hätten), sowie der recht unverständliche Handlungsstrang, in dem Stein den Verlobten seiner gestorbenen Tochter trifft, der ihm grausam vorwirft, sich dem damaligen Lagerleiter angebiedert zu haben. Die Unmenschlichkeit, mit der Stein im KZ behandelt wurde, war wirklich mehr als offensichtlich, wurde auch in aller Öffentlichkeit ausgetragen – sollte es unter KZ-Überlebenden wirklich so viel Unverständnis geben, dass die eigene Tochter ihrem Vater vorwirft, überlebt zu haben? Inhaltliche Schwächen wie diese lassen trotz israelischer Beteiligung und diverser jüdischer Personen im Produktionsteam immer wieder Zweifel aufkommen, wie akkurat der Film die Shoah und ihre psychischen Folgen zu fassen vermag.
Die so bizarre wie plumpe Heilungsgeschichte zwischen Stein und einem eingelieferten Jungen, der sich selbst für einen Hund hält, hilft da auch nicht, führt nur zu einigen klischeehaften Szenen und einem platten melodramatischen Ende, in dem Stein der Vision seines einstigen Quälers endlich ein Ende bereiten kann. So mündet „Ein Leben für ein Leben“ trotz seiner (oft plakativ ausgestellten) Düsternis in einer Art Happy End. Dass er emotionale Momente und meist starke Darstellende zu bieten hat, steht außer Frage, aber Story und Dramaturgie fallen so platt und ungelenk aus, dass er es leider nicht schafft, der ungeheuren menschlichen Komplexität seines Themas gerecht zu werden. Schade um die intensive Leistung Goldblums!