Review

Der Western „Appaloosa“ ist eine von Ed Harris inszenierte, co-produzierte, mitverfasste sowie sich selbst in der Hauptrolle aufweisende Adaption des gleichnamigen 2005er Romans aus der Feder von Robert B. Parker, welcher die Erlebnisse der beiden zentralen Protagonisten der hier vorliegenden Geschichte auch schon in Gestalt (bis heute) zwei weiterer Bücher fortgesetzt hat – nämlich „Resolution“ (2008) und „Brimstone“ (2009). Entsprechend ist es durchaus möglich, dass diese nicht die letzte Verfilmung einer Veröffentlichung aus der „Virgil Cole & Everett Hitch“-Reihe des Autors bleiben wird…

Als der umtriebige Grundbesitzer und ambitionierte Geschäftsmann Randall Bragg (Jeremy Irons) im Jahre 1882 kaltblütig den Sheriff der titelgebenden Ortschaft in New Mexico (mitsamt drei seiner Deputies) erschießt, nachdem jene vier Gesetzesmänner zu seiner Ranch geritten waren, um zwei seiner Leute zu verhaften, die zuvor einen Anwohner ermordet sowie dessen Frau vergewaltigt hatten, sehen sich die relativ hilflosen Stadtväter (u.a. Timothy Spall und James Gammon) dazu gezwungen, auf eine „externe Lösung“ der Angelegenheit zurückzugreifen, um die Ruhe und den Frieden in ihrem Zuständigkeitsbereich endlich wieder herzustellen. Zu genau diesem Zweck heuern sie im Folgenden die erfahrenen „Gunslinger“ Cole (Harris) und Hitch (Viggo Mortensen) an, welche bereits seit mehr als einer Dekade ein eingespieltes Gespann bilden und ihre Profession in eben solchen Fällen, also wenn irgendwo mal eine „harte wie geschulte Hand im Dienste einer guten Sache“ benötigt wird, unter den erforderlichen Voraussetzungen und Konditionen (z.B. die Übertragung der umfassenden Gesetzesgewalt auf sie) zur Verfügung stellen. Binnen kürzester Zeit, im Zuge derer Bragg´s Truppe „etwas an Umfang einbüßt“ sowie die Grenze zwischen Recht und Unrecht für ihn und seine Leute (ein erneutes Mal) klar vordefiniert wird, gelingt es dem Duo dann auch, die Ordnung in Appaloosa in nahezu gewünschter Weise wieder herzustellen…

Inmitten dieser forcierten Rahmensituation, welche zwar noch immer merklich angespannt ist, aber dennoch spürbar in Richtung einer geachteten Stabilität tendiert, entsteigt eines Tages die verwitwete Piano-Spielerin Allison French (Renée Zellweger) dem regelmäßig am Bahnhof haltenden Zug und bringt umgehend eine ganz andere Form von Unruhe in das kleine Örtchen: Im Grunde verfällt ihr Virgil auf Anhieb, worauf er ihr eine Bleibe sowie einen Job verschafft und sie fortan (unsicher, allerdings zielstrebig) umgarnt, während sie seine Avancen gleichermaßen erwidert, beidseitig recht zügig Gedanken über eine gemeinsame Zukunft erkeimen und sie schließlich gar zusammen ein Haus (im Rohbau) kaufen. Hitch indessen betrachtet das ungewohnte Verhalten seines Partners leicht misstrauisch, also nicht frei von Sorge – u.a. weil es ihm nicht entgangen ist, dass Allie´s Blicke nicht allein auf Cole gerichtet verbleiben. Unerwartet meldet sich just dann aber plötzlich ein junger Mann zu Wort, welcher Bragg beim Erschießen des Sheriffs gesehen hat und auch ernsthaft zu einer Aussage bereit ist – worauf der Beschuldigte kurzerhand (unter Ausnutzung des Überraschungsmoments) überwältigt, eingesperrt und angeklagt wird. In Erwartung des Prozesses gilt es nun, vor allem den Zeugen am Leben sowie Bragg hinter Gitter zu halten – beileibe keine einfache Aufgabe, wo doch seine „Posse“ ihrem Boss treu ergeben ist und außerdem noch zwei weitere berühmt-berüchtigte Revolverhelden (Lance Henriksen & Adam Nelson) in der Stadt auftauchen, deren Absichten eher „unklarer Natur“ sind…

Unverkennbar ist „Appaloosa“, diese 2008er Veröffentlichung, welche übrigens geradezu standesgemäß mit dem zu vernehmenden Klang von Pferdehufen eröffnet, ein klassischer Western, gegen den so manch andere Vertreter des Genres, wie etwa „Tombstone“, „the Last Outlaw“ oder das „3:10 to Yuma“-Remake, im Prinzip schon „ultra-modern“ anmuten. Die weder sonderlich komplexe noch unnötig verkompliziert erzählte Geschichte kommt quasi frei von Innovationen und Experimenten daher – was ebenso auf den gewählten bzw. zur Schau gestellten Regiestil zutrifft. Zudem griff man stets gern gesehene inhaltliche Elemente gezielt auf (ein fieser Rancher, verängstigte Einwohner, Indianer, resolute Gesetzes-Verfechter, mindestens ein Duell irgendwann im Geschehen etc.) und verzichtete von Anfang an auf heutzutage gewohnte inszenatorische Zusätze wie rasche Schnittfolgen oder ausgefallene Kameraspielchen – allerdings entgeht das Werk einem pauschalisierenden (umfassenden) „Brandmarken“ seiner Beschaffenheit durch Begriffe wie „typisch“ oder „gängig“ letzten Endes dennoch, u.a. weil es unter der Oberfläche seiner diversen „Old School“-Komponenten immer wieder (kleinere) ungewöhnliche und clever eingebundene Details zu entdecken gibt: Der Saloon bzw. die vergleichbare Örtlichkeit der Stadt ist beispielsweise frei von einer „Spielunken-Atmosphäre“ und wird weitestgehend von gesitteten Gästen besucht, Bragg´s Bande verbringt die meiste Zeit nicht unbedingt mit Saufen und Morden, ihr Anführer ist kein reinrassiger Psychopath oder schießfreudiger Killer, vollzieht stattdessen eine Art Wandlung und ist im finalen Akt kaum wiederzuerkennen – und bei der weiblichen Figur der Allison French haben wir es sogar mal nicht mit einer Lehrerin oder Prostituierten zutun. Subtil werden Stereotypen mit feinen (von der Norm abweichenden) Nuancen angereichert – was verdammt gut so ist, da es in diesem Film hauptsächlich um die Charaktere, weniger um die Story an sich geht…

Im Zentrum des Streifens steht die jahrelang ausgehärtete sowie von Vertrauen und Loyalität geprägte Freundschaft zwischen Virgil und Everett, welche für sie jeweils einen höheren Stellenwert als alles andere auf der Welt einnimmt – einschließlich der Liebe zu einer Frau und den damit verbundenen Gefühlen. Als Allie in einem kritischen Moment gegensätzlicher Aussagen Cole die Frage „You believe him over me?“ stellt, antwortet dieser ruhig und direkt „That is correct.“ Mehr gibt es da nicht zu sagen – keine unnötigen Komplikationen. Für den Kamerad würde der Partner ohne zu zögern sein Leben geben bzw. lassen. Ersterer trägt den Sheriff-Stern, Hitch ist sein Deputy – doch untereinander sind sie im Grunde genommen gleichrangig. Cole verfügt über meisterhafte Schießkünste sowie die nötige Ausstrahlung, allein einer ganzen Bande feindlich gesinnter Schergen gegenüber zu treten – aber auch über eine gewalttätig-aggressive Ader, welche hervortritt, wenn ihn etwas auf persönlicher Ebene trifft, ebenso wie ein fehlendes Ausdrucksvermögen, wenn es um elegantere oder weniger simple Formulierungen geht. In solchen Fällen hilft ihm Everett dann aus, welcher Worte wie „sequestered“ (inklusive deren Aussprache und Bedeutung) kennt. Perfekt eingespielt, ergänzen sie sich in den meisten Lebenslagen – achten (auf-) einander, vollenden ihre Sätze und harmonieren in brenzligen Situationen wie Uhrwerk. Hitch ist die klügere, reserviertere, taktischer vorgehende Hälfte des Duos. Er ist eher ein Zuhörer, der Virgil´s Fehler bemerkt, allerdings bewusst erst anspricht, wenn die Auswirkungen dieser eine bestimmte Grenze zu überschreiten drohen. Verkörpert werden sie von Ed Harris („the Rock“/„Apollo 13“) und Viggo Mortensen („Lord of the Rings“/„Eastern Promises“), welche beide starke Performances abliefern, die den gehaltvollen Figuren ausschöpfend gerecht werden – und doch ist es letzten Endes Viggo, der mit seinem hervorragend ausgestalteten Auftreten die meisten Szenen stiehlt bzw. unaufdringlich an sich reißt…

Als ihr Widersacher ist Oscar-Preisträger und Charakter-Mime Jeremy Irons („Dead Ringers“/„Kingdom of Heaven“) zu sehen: Zwar sitzt sein amerikanischer Akzent nicht optimal, aber als „charismatischer Baddie“ hat der Brite schon im Rahmen mehr als einer Gelegenheit überzeugen können – und so auch hier, wo man ihm seine Auftritte als Geschäftsmann genauso problemlos abnimmt wie die sporadisch an den Tag gelegten Gewalt- und Wutausbrüche. Western-Fan Lance Henriksen („Dead Man“/„the Quick and the Dead“) passt perfekt in den Film und ruft keinerlei Anlass zur Klage hervor, was von der Leistungseinschätzung her gleichermaßen auf die restliche Besetzung zutrifft – ausgenommen eines Einzelfalls, auf den ich im nächsten Abschnitt noch eingehen werde. Ausgefüllt werden die Cast-Reihen jedenfalls von fähigen Akteuren wie Timothy Spall („Sweeney Todd“), Tom Bower („North Country“), James Gammon (TV´s „Nash Bridges“), Adriana Gil („Pan´s Labyrinth“), Timothy V. Murphy („Shallow Ground“), Rex Lin (TV´s „CSI: Miami“) und sogar Ed´s Vater Bob („Riders of the Purple Sage“) als der die Verhandlung leitende Richter. Einige Beteiligte kannten sich im Vorfeld dieses Drehs auch bereits von anderen Projekten her – beispielsweise waren Harris und Henriksen 1983 in „the Right Stuff“ noch im selben Team, standen sich ersterer und Viggo 2005 in Cronenberg´s „A History of Violence“ (damals) verfeindet gegenüber und hatten Mortensen und Gil in „Alatriste“ (2006) ebenfalls schon Körperkontakt miteinander…

Kommen wir nun aber zu der erwähnten bzw. angekündigten „Ausnahme“ innerhalb des ansonsten rundum respektablen Ensembles – obwohl ich (bei aller Fairness) durchaus in diesem Zusammenhang anführen muss, dass der von „Allison French“ heraufbeschworene unvorteilhafte Eindruck nur in zweiter Linie auf die Darbietung der „Academy Award“-Gewinnerin Renée Zellweger („Bridget Jones“/„Cold Mountain“) zurückzuführen ist, denn das wahre Problem liegt vielmehr in der grundsätzlichen Beschaffenheit der Rolle an sich, welche als ein Katalysator bestimmter Ereignisse und Veränderungen dient, dabei aber markant uneben ausgearbeitet anmutet. Mit nur einem Dollar und etlichen „Großstadt-Klamotten“ in ihren Taschen trifft sie (auf sich allein gestellt) in Appaloosa ein, um nach dem Tod ihres Gatten ein neues Leben zu beginnen – und um dies zu meistern, hält sie sich jeweils an das „Alphamännchen“ in ihrer Nähe, zwecks Schutz und Unterstützung. Anfangs ist das Virgil – bloß verändern sich die Bedingungen im Laufe der Zeit, weshalb sie sich dann immerzu nach anderen „starken Schultern“ umsieht. Kurzum: Sie verhält sich wie ein berechnendes und (in einem gewissen Sinne) arg stereotypes Weibchen, was sie unsympathisch erscheinen lässt und ihr zudem beinahe restlos den Zuspruch des Publikums kostet, welches fest zu bzw. hinter Cole und seinen preisgegebenen Emotionen steht. Man kann sie verstehen: Der „Wilde Westen“ war gewiss hart für eine alleinstehende Frau – nur hilft das nicht, die Empfindung zu übertünchen, dass ihr Part im Grunde genommen eine zu große (ja gar störende) Ablenkung vom eigentlichen Haupt-Plotstrang markiert. Ferner wäre (zu allem Überfluss) auch noch festzuhalten, dass die Beziehung zwischen ihr und Virgil nicht genügend in die Tiefe reichend konzipiert wurde sowie zwischen Harris und Zellweger keine spürbare Chemie zu verzeichnen ist. Neutral betrachtet, agiert Renée mäßig bis solide – nur hatte sie im Prinzip nie eine echte Chance, mit ihrem (zweifellos vorhandenen) Talent gegen derart gravierend negativ einwirkende Faktoren anzuspielen…

Im Zuge seines zweiten Platznehmens auf einem Regiestuhl hatte Harris seine Besetzung offenkundig ähnlich fest im Griff wie im Jahre 2000 bei „Pollock“, seinem Debüt über jenen berühmten amerikanischen Maler des Abstrakten Expressionismus. Seine Handschrift ist sehr nüchtern, effizient, auf ein spezifisches Maß an Realismus bedacht. Einerseits ein relativ löbliches Bestreben bzw. eine durchaus begrüßenswerte Annäherungsweise, auf der anderen jedoch in mancherlei (cineastischer) Hinsicht ein eher zweischneidiges Schwert. Besonders evident wird dies bei der Präsentation der verschiedenen Shoot-Outs, welche allesamt binnen Sekunden vorüber sind: Es wird geschossen und getroffen – kurz und bündig, ohne Munitionsverschwendung, Zeitlupeneinsatz oder anderem stilistischen Schnickschnack. Selbst Hitch merkt nach einer solchen Konfrontation an: „That was fast.“ Worauf Cole erwidert: „Everybody knew how to shoot.“ So einfach ist das. Konsequent – nur halt (fürs Publikum) irgendwie nicht umfassend erfüllend. Nahezu alle Szenen dieser Art sind übrigens im Trailer auszumachen – und das angrenzend in voller Länge. Beim Herangehen sollte man demgemäß auf keinen Fall einen Action-orientierten Western erwarten – stattdessen wäre es besser, sich von Beginn an auf ein ziemlich ruhiges Werk einzustellen, dessen Tempo kaum ein Ausschlag auf einem den heutzutage üblichen Film-Veröffentlichungen angepassten „Tachometer“ hervorrufen dürfte. Entsprechend wählte der erfahrene und mehrfach ausgezeichnete Cinematographer Dean Semler, welcher schon bei durchaus vergleichbaren Produktionen wie „Dances with Wolves“, „the Alamo“ oder den beiden „Young Guns“-Streifen hinter der Kamera stand, eine Vielzahl an ausgiebigen (Weitwinkel-) „Panorama-Takes“, um die Schönheit der Landschaft New Mexicos gebührend einzufangen sowie die sich inmitten dieser wunderbaren natürlichen Kulissen entfaltenden Ereignisse in ansprechend-atmosphärische Bilder zu fassen – was ihm hervorragend geglückt ist und dem Film einen formvollendeten Look verleiht, inklusive einer Reihe toller Images, mit denen man die Schluss-Credits unterlegt hat. Sets, Einstellungen und der Ausstattung zugehörende Objekte wurden reich an Details mit geschultem Blick zusammengestellt: Schön anzusehen, keine Frage – aber insgesamt vielleicht (zumindest in meinen Augen) ein Tick zu sauber, gepflegt und unabgenutzt für solch harte Zeiten wie die damaligen…

Soweit ich gehört bzw. gelesen habe, hielten sich Harris und sein Co-Autor, der hauptberufliche Schauspieler Robert Knott („the Garage“), bei der Gestaltung ihres Skripts recht eng an der literarischen Vorlage Parkers – daher bin ich mir wahrlich nicht sicher darüber, wieviel des Lobes speziell ihnen für das inhaltlich Gebotene eigentlich zusteht. Auf jeden Fall treffen so einige Dialogzeilen mit der Präzision eines Scharfschützen mitten ins Schwarze. Beispiel gefällig? Als Cole (mehr oder minder allein) vor Bragg´s Männer tritt, die ihren Boss aus dem Gefängnis zu holen gedenken, fragt er den Rädelsführer kurzerhand, ob er denn Angst zu sterben hätte, worauf dieser das verneint und Virgil ohne mit der Wimper zu zucken erwidert: „Good – `cause you go first!“ Das sitzt. Schade, dass die Zahl der Elemente, welche über eine derart hohe Qualität verfügen, nicht (noch) ein wenig höher ausgefallen ist – denn das, in Kombination mit dem etwas zu langsamen Erzähl-Rhythmus, durch den man im Grunde genommen (spätestens gegen Ende) jede Minute der knapp zwei Stunden Lauflänge spürbar wahrnimmt, verhindert letztlich, dass „Appaloosa“ in die Sparte der „Genre-Highlights“ emporzusteigen vermag. Einige Überraschungen (wie das Schicksal des Zeugen) und subtile thematische Bezüge zur Gegenwart entlang des Weges, welche man im Übrigen eigenständig erkennen bzw. sich erdenken muss, wie etwa aus Aussagen á la „I don't kill people for a living. I enforce the law. Killing is sometimes a byproduct.“ heraus, reichen in ihrer Summe und Nachhaltigkeit einfach nicht ganz aus, um andere Schwachstellen, allen voran die ungünstige Gewichtung bestimmter Plot-Schwerpunkte gegenüber der „Allie-French-Einwirkung“, genügend zu kaschieren. Dennoch ist Ed Harris, dem dieses Projekt sichtlich am Herzen lag und zu welchem er diverse Mühen und Zugaben (u.a. gar den Song im Abspann) beisteuerte, alles in allem ein relativ sehenswerter „Vintage Western“ gelungen, der einen angenehm trockenen Sinn für Humor besitzt, stark besetzt, gut gespielt und wunderbar bebildert ist sowie viele klassische Zutaten dieser Filmrichtung aufweist und gerade deshalb die meisten der betreffenden Fans zufrieden stellen dürfte…

„6 von 10“

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