Western werden gemeinhin dem Action-Genre zugeordnet - schliesslich wird ja dauernd geballert.
Es gab im Western allerdings auch Bestrebungen und Verschiebungen in die andere Richtung, weg von der Action, hin zu Tiefe und Charakterstudien; je weiter wir in der Filmgeschichte nach vorne schauen, desto deutlicher wird diese Bewegung erkennbar. Die Helden, die Bösewichte, die Gefährten, die Frauen - in vielen Western erhielten sie einen Hintergrund, ihre Charaktere wurden ausgelotet und differenziert gezeichnet.
Im Western Appaloosa - so genannt nach dem Kaff, in welchem dieser Western spielt - ist dies ganz klar auch der Fall: Im Zentrum stehen die beiden "Law Enforcer" Virgil Cole (Ed Harris) und Everett Hitch (Viggo Mortensen). Sie sollen in Appaloosa dem Recht zum Durchbruch verhelfen; der örtliche Sherriff und dessen Deputies wurde vom verbrecherischen Rancher Randall Bragg (Jeremy Irons) niedergeschossen, seither terrorisiert dessen Bande das Dörfchen.
Virgil und Everett verbindet eine langjährige Freundschaft, und diese wird hier sehr schön ausgelotet; der eine weiss immer schon, was der andere sagen will, respektive nach welchem Wort er gerade sucht. Harris und Mortensen verleihen den beiden Kraft ihres Charismas starke Konturen, welche die eher schwache Charakterdisposition des Drehbuchs überstrahlt; dasselbe gilt für den von Irons gespielten Bösewicht. Die drei sind klar die Hauptattraktion des Films.
Die Ausgangslage verspricht Hochspannung, und es macht in der Tat grossen Spass, zuzusehen, wie die beiden aufeinander eingespielten Gesetzeshüter mit den bösen Buben aufräumen.
Doch dann taucht plötzlich die Witwe Allison French (Renée Zellweger) in Appaloosa auf - und sorgt für ungünstige Verschiebungen in den Figurenkonstellationen...
Mit dem Auftauchen der Witwe beginnt der Film leider auseinanderzufallen, oder besser: er franst aus. Was als klassischer, humorvoll-holzschnittartiger Gut-Böse-Konflikt begann, wendet sich plötzlich zu... ja, was eigentlich? Das wird leider nicht erkennbar.
Der absolut gradlinig begonnene Film fängt an, zu mäandern, scheinbar ziellos, einige Figuren verhalten sich plötzlich entgegen ihrer Anlage, das Verhalten der Witwe bleibt von Anfang bis Ende ein Rätsel - am Schluss fragt man sich, was das Ganze eigentlich hätte sein sollen.
Schade. Die erste Hälfte von Appaloosa ist zwar "alte Schule", die Charakterstudie der beiden Hautfiguren ist aber ziemlich vielversprechend und macht neugierig auf den Fortgang.
Was danach kommt, ist der gescheiterte Versuch der Macher, die ausgefahrenen Spuren zu verlassen und unkonventionell fortzufahren. Dafür wird dann leider auch die schön begonnene Charakterstudie fallengelassen.
Fazit: Alte Schule muss nicht schlecht sein! Und: Dass Ed Harris ein derartiges Multitalent ist (Regie, Drehbuch, Hauptrolle), habe ich bis dahin gar nicht gewusst. Respekt - zumindest für die Regieführung und das Schauspiel; drehbuchtechnisch ist er nicht ganz auf der Höhe mit seinen anderen beiden Talenten.